Theologischer Kurzschluss?

Meinung · Das hat der ehrenwerte Hans Joachim Meyer nicht verdient. Just zum Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist noch einmal ein heftiger Streit zwischen Laien und Bischöfen entbrannt. Bei der Mehrheit der Bischofskonferenz fiel Meyers designierter Nachfolger Heinz-Wilhelm Brockmann nämlich durch

Das hat der ehrenwerte Hans Joachim Meyer nicht verdient. Just zum Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist noch einmal ein heftiger Streit zwischen Laien und Bischöfen entbrannt. Bei der Mehrheit der Bischofskonferenz fiel Meyers designierter Nachfolger Heinz-Wilhelm Brockmann nämlich durch. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Laienorganisation. Vordergründig werden von Kardinal Lehmann "verfahrenstechnische Fehler" als Begründung genannt. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass der "Linkskatholik" Brockmann als Mitbegründer der katholischen Schwangeren-Konfliktberatung von Donum Vitae als zu liberal gilt. Hellhörig muss man allerdings werden, wenn Lehmann den Laien vorwirft, sie hätten mit der Veröffentlichung ihrer Erklärung zur Judenmission "in der ohnehin schwierigen Lage viel Ärger ausgelöst". Darum geht es nämlich. Angesichts des Papstbesuchs in Israel wollten die Bischöfe offenbar keine weitere öffentliche Kritik an der umstrittenen Karfreitagsfürbitte für die Juden zulassen. Die hatte Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 neu formuliert, als er die alte tridentinische Messe wieder generell zuließ. Man muss Benedikt jedoch zu Gute halten, dass er nicht den ursprünglichen Text übernahm. Darin war von "verblendeten Juden" in der "Finsternis" die Rede, die bekehrt werden sollten. In der neuen Fassung heißt es nun, ". . . dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, als den Retter der Menschen". Jüdische Vertreter und selbst katholische Theologen wie der Augsburger Professor Hanspeter Heinz werten dies dagegen weiterhin als klaren Auftrag zur Judenmission. Andere Kritiker gehen noch weiter und nennen die Fürbitte einen "theologisch-kirchlichen Kurzschluss", der sowohl die Abgrenzung gegenüber den Juden als auch den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche untermauern soll. Das mag im frühen Christentum identitätsstiftend gewesen sein, heute löst die Fürbitte bei vielen Gläubigen Kopfschütteln aus.Der Spagat, auf den sich der Papst einließ, ist ihm nicht gelungen. Ein solches Zugeständnis an ultrakonservative Kreise wie die Piusbruderschaft musste innerkirchlich und auch bei den Juden Unverständnis, wenn nicht Fassungslosigkeit hervorrufen. Wer nun glaubt, Benedikt XVI. könnte seinen Israelbesuch nutzen, um die umstrittene Formulierung oder die alte Messform zurückzunehmen, wird enttäuscht sein. Seine theologische Linie wird er nicht verlassen. Vielleicht erklärt er aber wenigstens einmal verständlich, warum er nicht anders kann.

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