Wie die „Zeitung der Franzosen“ wieder saarländisch und unabhängig wurde.

Die SZ kauft sich frei
Obwohl das Saarland seit dem 15. Dezember 1947 gewissermaßen „autonom“ war (durch die Wahlen vom 5. Oktober und der Annahme der Saarländischen Verfassung durch den neuen Landtag), gehörte die SZ weiterhin dem französischen Staat. Das sollte sich indes Mitte der 50er Jahre ändern, als die Saarländer beim Volksentscheid im Oktober 1955 mit klarer Zweidrittel-Mehrheit für den Anschluss an die Bundesrepublik stimmten. Danach begannen politische Gespräche zwischen dem Saarland, der Bundesregierung und dem französischen Staat über die „Rückführung“ der Zeitung. Dabei sei festgestellt worden, hieß es in einer Aktennotiz des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Eduard Martin, „daß die französische Seite die Notwendigkeit einsieht, sich von diesem Besitz zu trennen“. Nach monatelangen zähen Verhandlungen einigten sich die Partner (Saarland und Frankreich) schließlich auf einen Preis von 110 Millionen Franken, den die Franzosen für das Blatt erhielten.
Rechtlich fixiert wurde die Vereinbarung am 27. Oktober 1956 im „Luxemburger Vertrag“ über die Zukunft des Saarlandes, genauer im „Protokoll über die Regelung der Angelegenheit Saarbrücker Zeitung“. Gegen Zahlung der erwähnten Summe gingen „die Fremdanteile“ bis zu einer „später erfolgenden Endregelung“ treuhänderisch an ein Bankenkonsortium aus der Saarländischen Kreditbank, der Landesbank und Girozentrale und der Bank für Gemeinwirtschaft. Die Regierung des Saarlandes schloss mit diesen Banken am 11. Januar 1957 einen Treuhandvertrag, danach hielten die drei Häuser sämtliche Geschäftsanteile an dem Presseverlag stellvertretend für das Saarland. Die 110 Millionen Franken mussten übrigens aus den jährlichen Dividenden der SZ bezahlt werden, so dass sich die Zeitung praktisch selbst „freikaufte“.
Und während der Verlag wuchs und gedieh, ging in der Politik das Gezeter um die Reprivatisierung der Zeitung los (es sollte noch 13 Jahre dauern, bis die SZ komplett unabhängig war). Und an dieser Stelle wurde es richtig spannend: Während die Belegschaft, der Deutsche Journalistenverband und die SPD im Saarland eine reine (100-prozentige) Stiftungslösung forderten, wollten „andere Meinungen“, „insbesondere von verlegerischer Seite“ (Landtagsprotokoll), eine privatrechtliche Veräußerung der Anteile an einen Verleger. Beziehungsweise an einen Verleger plus Beteiligung der Belegschaft sowie der „Ausgestaltung einer etwaigen rein saarländischen Sperrminorität“ (Landtagsprotokoll). Diese „anderen Meinungen“ wurden intensiv unterstützt von der CDU-geführten Landesregierung unter Franz-Josef Röder.

Es war zu erwarten, dass sich die (politische) Mehrheitsmeinung durchsetzen würde. Und so begann Ende der 60er Jahre eine Art Bieter-Wettbewerb, an dem sich namhafte Verlage beteiligten. Interesse an der SZ äußerten die große Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ, Essen), der Stuttgarter Buchverlag Georg von Holtzbrinck, der Burda-Verlag in Offenburg, die Rheinpfalz (Ludwigshafen), die Rhein-Zeitung (Koblenz), der Trierische Volksfreund und die Mainzer Allgemeine Zeitung. Doch schon bald trennte sich die Spreu vom Weizen, am Ende konkurrierten nur noch die WAZ und Holtzbrinck um das Saarbrücker Verlagshaus. Holtzbrinck bot einen Preis von 25 Millionen D-Mark plus Errichtung eines großen grafischen Betriebs als (Buch)Druckerei; die WAZ wollte gar 35 Millionen DM zahlen und zugleich in Bexbach ein großes Automobilzulieferungswerk bauen. Obwohl das Essener Angebot eindeutig besser war, bekam der Stuttgarter Verleger Holtzbrinck den Zuschlag – nicht ohne dass der Landtag des Saarlandes in mehreren turbulenten Sitzungen über den Verkauf der SZ debattiert hätte.
Aus SPD-Kreisen hieß es (später), der WAZ-Konzern sei der CDU-Regierung wohl „zu links“ gewesen. Man habe eine publizistische Haltung der SZ mit konservativem Charakter bewahren wollen. Vertreter der Regierung argumentierten dagegen, das reine Stiftungsmodell sei „nicht flexibel genug (gewesen), um sich an die rasch wandelnden wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen zu können“. Zudem fehle in der Regel auch „der von einer Unternehmerpersönlichkeit ausgehende unternehmerische Impuls“, dem eine erhebliche Bedeutung zukomme. Und so setzte sich schließlich folgendes (Regierungs-)Modell durch: Ein Verleger aus dem Kreise der Interessenten erhält 49 Prozent des Stammkapitals. 26 Prozent der Geschäftsanteile gehen (unentgeltlich) an eine „gemeinnützige Institution, die die Interessen des Saarlandes an der Saarbrücker Zeitung wahrzunehmen hat“. 15 Prozent des Stammkapitals gehen an die Belegschaft der SZ (ein damals revolutionäres Beteiligungsmodell). Den Rest der Anteile (zehn Prozent) verteilen sich gleichmäßig auf die bisherigen Treuhänder Saarländische Kreditbank, Landesbank und Girozentrale sowie Bank für Gemeinwirtschaft. Politisch federführend für den Vorschlag war Finanzminister Helmut Bulle (CDU). Als „spiritus rector“ dieser Lösung galt aber der bauernschlaue Justizminister Alois Becker (CDU) aus Primstal.



Holtzbrinck macht das Rennen
Die entscheidende Landtagssitzung fand am 5. November 1969 statt. Zur Beschlussfassung stand der „Antrag auf Änderung der Rechtverhältnisse an der Saarbrücker Zeitung“ (Drucksache 1436). Nach stundenlanger Debatte wurde der Antrag in namentlicher Abstimmung mit 27 Stimmen der CDU und FDP/DPS gegen 19 Nein-Stimmen der SPD angenommen. Danach erhielt der zuvor bereits favorisierte Verleger Georg von Holtzbrinck den 49-Prozent-Anteil. Die Union Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung (heute Stiftung Demokratie Saarland) und die Friedrich-Naumann-Stiftung (heute Villa Lessing – Liberale Stiftung Saar), vereint in der „Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar mbH“, bekamen den Anteil von 26 Prozent (über den Umweg der nur für diesen Zweck gegründeten „Gemeinnützigen Fördergesellschaft Saarbrücker Zeitung“).
Am 12. Februar 1970 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet, am 9. März erfolgte die notarielle Beurkundung. Der Kaufpreis wurde mit 30 Millionen DM beziffert, den die Gesellschafter anteilsmäßig zu entrichten hatten. Wobei der Anteil der Stiftungen umsonst war und die Belegschaft einen Preis-„Bonus“ von 20 Prozent erhielt. Nach Jahrzehnten der Irrungen und Wirrungen war die SZ damit privatisiert. Bernard Bernarding
Dieser Beitrag wurde vom ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, Bernard Bernarding, verfasst und bereits in der Sonderveröffentlichung 250 Jahre SZ, vom 30. Mai 2011, veröffentlicht