Thailands tiefe Trauer um die Seele der Nation

Bangkok · König Bhumibol Adulyadej war in Thailand schon lange nicht mehr öffentlich aufgetreten. Trotzdem war er allgegenwärtig: Riesige Poster von ihm hängen am Flughafen, auf meterhohen Fotos blickt er von Wolkenkratzerwänden ernst auf das Volk hinab, in Einkaufszentren und an Straßenecken stehen Tausende altarähnliche Podeste mit seinem Konterfei. Gestern ist Bhumibol mit 88 gestorben. Er war seit gut 70 Jahren auf dem Thron und damit der am längsten amtierende Monarch der Welt. Sein Tod könnte das Land in den Grundfesten erschüttern.

Bhumibol war weit mehr als ein König nach modernem europäischem Vorbild. Thailands Monarchen haben zwar auf dem Papier keine politische Macht mehr. Aber Generationen von Kindern haben ihm in der Schule täglich die Treue geschworen. Jede Veranstaltung, jeder Kinofilm startete mit der Königshymne, bei der das Publikum aufsteht und ihm Respekt zu erweisen hatte. Bhumibol, dessen Vermögen auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde, war in Zeiten der oft wackligen Demokratie ein Garant für Kontinuität und eine moralische Instanz. Nun wird das Land aber seit mehr als zehn Jahren von tiefen Spannungen mit blutigen Straßenschlachten erschüttert. Zweimal putschte das Militär, zuletzt 2014. Respekt für den König und die Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit, unter anderem durch ein drakonisches Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, haben das Volk in Zaum gehalten.

Staatskrisen und politische Grabenkämpfe: Bhumibol war jahrelang zur Stelle, um das Land zu einen, sei es, in dem er hinter den Kulissen die Strippen zog oder Streithähne öffentlich zur Ordnung rief. Stets kehrte Ruhe ein, wenn der in den USA und Europa aufgewachsene Monarch seinen Willen kundgetan hatte. Die 70 Millionen Thailänder verehrten ihn wie einen Gottvater, als "Seele der Nation". Nach dem 60. Thronjubiläum wurde es aber still um ihn. Jahrelang siechte er im Krankenhaus mit Herz- und anderen Gesundheitsproblemen. Er zeigte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit, meist ernst und hölzern. "Der König lacht nie", heißt eine in Thailand verboten Biografie.

Bhumibol Aduljadej wurde am 5. Dezember 1927 in den USA geboren, wuchs unter anderem in Lausanne auf. Er war der Neffe des Königs und für den Thron gar nicht vorgesehen. Doch sein Vater starb früh, der König dankte kinderlos ab, und sein älterer Bruder wurde mit 20 Jahren erschossen im Palast gefunden. Bhumibol bestieg den Thron 1946. Er setzte zunächst seine Studien in der Schweiz fort. Bei einem Autounfall verlor er ein Auge. 1950 heiratete er die noch nicht ganz 18-jährige Sirikit, eine Tochter aus gutem Hause. Sirikit brachte vier Kinder zur Welt. Das Königspaar wurde zur festen Größe im europäischen Adels-Jetset, beide waren Stammgäste auf royalen Partys. Der König sprach Englisch und Französisch, war begeisterter Fotograf und spielte Saxofon.

Zurück in Thailand wandelte er sich zum engagierten Landesvater. Landauf, landab startete er Initiativen, um das Los der armen Bauern zu verbessern. Er probierte und forschte und erhielt zahlreiche Patente - zum Beispiel auf ein Verfahren, um Wolken zum Regnen zu bringen.

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