Teure Wurst

Bonn · Weil sie Preise für Brühwurst und Schinken abgesprochen haben, bittet das Kartellamt Wursthersteller zur Kasse. Experten sehen in den Absprachen auch eine Reaktion auf die Marktmacht des Handels.

Egal ob Bier, Zucker, Kaffee oder Tiefkühlpizza: Es gibt kaum einen Bereich im Lebensmittelhandel, in dem das Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren nicht auf verbotene Preisabsprachen gestoßen ist. Jetzt kommt auch noch die Wurstbranche dazu. 338 Millionen Euro müssen Wurstfirmen wegen verbotener Preisabsprachen zahlen. Damit ist schon in den ersten sieben Monaten des Jahres ein neuer Bußgeldrekord aufgestellt. Fast eine Milliarde Euro Strafen haben die Wettbewerbshüter in dieser Zeit bereits verhängt - in den Vormonaten waren bereits die Bierbrauer und die Zuckerhersteller dran.

Im aktuellen Wurstskandal sind 21 Wursthersteller und zahlreiche Führungskräfte der Branche betroffen. Bekannte Marken sind dabei - unter anderem Böklunder, Herta, Meica, Rügenwalder und Wiesenhof, teilte die Wettbewerbsbehörde mit. Die Mitglieder des "Wurstkartells" hätten sich jahrelang über Preisspannen für Produktgruppen wie Brühwurst oder Schinken abgestimmt und beim Handel so höhere Preise durchgesetzt, erklärte das Kartellamt. Dessen Präsident, Andreas Mundt, betonte: "Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert." Das Gesamtbußgeld erscheine zwar hoch, relativiere sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und der Milliardenumsätze der Branche.

Der Löwenanteil der Bußgelder entfällt nach Behördenangaben auf die Großen der Branche und ihre Töchter. Dazu gehören etwa die Clemens-Tönnies-Gruppe (Zur-Mühlen, Bölklunder, Könecke), die informierten Kreisen zufolge allein über 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen soll, aber auch die Schweizer Bell-Gruppe (Zimbo) oder die zum Nestlé-Konzern gehörende Herta GmbH. In anderen Fällen liege das Bußgeld dagegen nur bei wenigen hundertausend Euro, hieß es in Bonn . Die Behörde sei bei der Bußgeldbemessung in der teilweise mittelständisch geprägten Branche "mit Augenmaß vorgegangen" und habe die schwierige Situation vieler Hersteller berücksichtigt.

Dass es gerade im Lebensmittelbereich immer häufiger Kartellvergehen gebe, liegt nach Ansicht des Handelsexperten Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg auch an der Struktur des Marktes. "Fast überall im Lebensmittelhandel haben wir das gleiche Problem: Eine große Menge austauschbarer Lieferanten steht den großen Lebensmittelhändlern gegenüber und hat deren Einkaufsmacht so gut wie nichts entgegenzusetzen", sagte er. Der von den Händlern ausgeübte Preisdruck sei enorm. Vielen mittelständischen Herstellern erscheine eine Kartellabsprache da geradezu als Notwehr.

Auch der Kartellrechtsexperte von der Kölner Kanzlei Oppenhoff & Partner bestätigt: "Es spricht viel dafür, dass es sich um Abwehrkartelle als Reaktion der Hersteller auf die Einkäufer handelt."

Gerade weil der Spielraum der Hersteller gegenüber dem Handel gering war, betont auch der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie, die Vorgänge hätten keine negativen Auswirkungen für den Verbraucher mit sich gebracht und nicht "zu unbilligen Preiserhöhungen" geführt.

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