Tauwetter im Kalten Krieg zwischen Amazon und der Buchbranche?

Frankfurt · Im Dauerstreit zwischen Amazon und der Buchbranche deutet sich auf der Buchmesse eine leichte Entspannung an. Derweil rüstet der deutsche Dachverband in der Auseinandersetzung mit dem Online-Riesen weiter nach.

Amazon ist auf der Buchmesse gar nicht vertreten. Doch auch ohne eigene Präsenz gibt der US-Konzern den Takt vor. Zur weltgrößten Bücherschau hat Amazon , das Händler und Verleger zugleich sein will, wie erwartet seine E-Book-Flat-rate angekündigt. Beim Dienst Kindle Unlimited sollen die Nutzer für einen monatlichen Betrag von 9,99 Euro Zugang zu einer Auswahl digitaler Bücher haben.

Es sind aber bisher wenige deutsche Verlage, die bei Amazon mitmachen - und dann auch mit älteren Titeln ("Backlist"). Etwa Bastei Lübbe, einer der deutschen Vorreiter im E-Book-Geschäft (wir haben berichtet). Deutschlands Verlage tasten sich an das neue Feld nur zögerlich heran. Bisher weiß niemand, ob sich beim Abo von digitalen Büchern wirklich etwas verdienen lässt. Ohnehin gibt es neben Amazon bereits andere Firmen wie Skoobe, die mehr Titel im Programm haben. "Die Buchbranche wird nur mit Flatrate-Angeboten nicht überleben können", sagt ein Verlagsmanager.

Amazon wiederum kann seine Flatrate-Initiative mit dem seit Monaten auch in den USA tobenden Streit über Rabatte für E-Books verknüpfen. In harten Verhandlungen hat Amazon versucht, den Verlagen bei E-Books 50 Prozent Rabatt abzutrotzen: genauso viel wie bei den gedruckten Büchern. Dies hat zum Kleinkrieg mit dem US-Verlag Hachette und mit Bonnier (Ullstein, Carlsen) in Deutschland geführt, deren gedruckte Bücher zum Teil bei Amazon ausgelistet wurden. Bei digitalen Büchern gelten 30 Prozent, inoffiziell aber 35 bis 40 Prozent, wie Kenner sagen.

Unter dem Eindruck der Proteste von Verlagen und über 1000 Autoren scheint Amazon jetzt zum Einlenken bereit, heißt es aus Insiderkreisen. Unter den deutschen Verlagen will in Frankfurt niemand offiziell über die Beziehungen zum wichtigen "Handelspartner" Amazon reden, weder Branchenführer Random House (Bertelsmann) noch andere führende Verlage.

Wie alle Verkäufer profitiert auch Amazon von der Buchpreisbindung in Deutschland, die auch für digitale Bücher gilt. Zugleich ist dies Amazons größtes Problem, da Wachstum über Preiskriege nicht erzielt werden kann. Der Marktanteil des Online-Riesen liegt deshalb nach Schätzungen bei E-Books in Deutschland nur bei rund 40 Prozent. In den USA hält Amazon dank kräftiger Preisnachlässe 60 Prozent, in Großbritannien sogar 90.

Außerdem hat sich in Deutschland als Alternative zu Kindle der von großen Buchhandelsketten vertriebene E-Book-Reader Tolino (Thalia, Weltbild, Hugendubel) etabliert. Diese haben auf der Buchmesse angekündigt, künftig mit dem Buchgroßhändler Libri zu kooperieren. Über Libri können auch kleinere Buchhändler ins Tolino-Boot kommen. Zusätzlich versucht der Dachverband der Branche, der Börsenverein der Deutschen Buchhandels, die Beratungskompetenz der Sortimenter zu stärken. Geplant ist ein Online-Datenpool zu den lieferbaren Büchern.

Amazon forciert unterdessen seinen Selbstbedienungs-Verlag Kindle Direct Publishing. Dort können Autoren ihre E-Books auf der Kindle-Plattform veröffentlichen - und erhalten den im herkömmlichen Verlagsgeschäft unvorstellbaren Anteil von 70 Prozent der Einnahmen. Zugleich müssen sie sich aber um alles, von der Korrektur bis zur Werbung, selbst kümmern. Nach Amazon-Angaben machen die Direkt-Bücher rund die Hälfte der in Deutschland gelesenen Kindle-E-Books aus.

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