Beauty Warum Miss World weltweit bewundert wird

Wernigerode „ · Das Internet mag eine Rolle dabei spielen, dass Jugendlichkeit heute fast auf dem gesamten Globus als herausragendes Schönheitsmerkmal gilt.

 Die Schönste der Schönen: Am 8. Dezember wurde die amtierende Miss Mexiko, Vanessa Ponce de Leon (26), zur diesjährigen Miss World gekürt. Sie hatte zusammen mit 117 anderen Missen um den Titel gekämpft.

Die Schönste der Schönen: Am 8. Dezember wurde die amtierende Miss Mexiko, Vanessa Ponce de Leon (26), zur diesjährigen Miss World gekürt. Sie hatte zusammen mit 117 anderen Missen um den Titel gekämpft.

Foto: dpa/Greg Baker

Stark ist das neue Schön“, hieß es plötzlich 2016. Damals stellte die US-amerikanische Ski-Olympiasiegerin Lindsey Vonn diesen Gedanken als ihre persönliche Wohlfühl-Formel vor. Die Hochleistungssportlerin schrieb ein Buch und setzte sich dafür ein, dass Frauen ihren Körper so lieben, wie er ist. Dass sie sich lieber Bewegung und gesundes Essen gönnen, statt eine Diät nach der anderen zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war die Welle längst am Rollen: Viele Frauen wollten nicht mehr „nur dünn“ sein, sondern athletisch.

Dieser Trend schwappte aus den USA nach Europa. Vielleicht hatte er hierzulande sogar mehr Chancen als jenseits des Atlantiks, denn in Europa wird Natürlichkeit anders bewertet als in den USA. „Unsere Schönheitsideale unterscheiden sich im Prinzip kaum von den amerikanischen“, sagt der Psychologe und Attraktivitätsforscher Professor Dr. Martin Gründl, „es gibt universelle Merkmale, die wir als schön empfinden: makellose Haut, Jugendlichkeit, bei Frauen zierlicher Unterkiefer, kleine Nase. Bei Männern ist es das kräftige Kinn.“

Der Unterschied liegt seiner Einschätzung nach darin, wie akzeptiert es in einer Kultur sei einzugreifen. „In Europa ist es gefordert, dass man sich pflegt. Dazu gehört zum Beispiel, dass vor allem Frauen, wenn sie älter werden, ihre grauen Haare färben. Das ist bei uns akzeptiert. In den USA hat sich das auf den plastischen Bereich ausgeweitet: Operiert auszusehen, gilt dort oft auch als ein Statussymbol. Dahinter steckt die Idee, es sich leisten zu können. Man zeigt zudem, dass man etwas für sein Aussehen tut.“

Dr. Murat Dagdelen ist ästhetischer und plastischer Chirurg in Düsseldorf und kann Skeptiker mit seiner jahrelangen Praxiserfahrung beruhigen: „Hierzulande möchte noch keiner zugeben, nachgeholfen zu haben. Aber wie in den USA geht es auch bei uns in die Richtung, dass Menschen immer häufiger zu chirurgischen Eingriffen stehen. Sie sprechen offener darüber.“ Noch kein Trend also, aber eine Tendenz. Als Chirurg muss Murat Dagdelen momentan eher darauf achten, dass vor allem Patientinnen mit ihren Wünschen nicht übers Ziel hinausschießen: „Wichtig sind die richtigen Proportionen und ein natürliches Ergebnis“, sagt er. „So auszusehen, wie sein eigenes mit Filtern bearbeitetes Selfie, inklusive großer Augen und sehr kleiner Nase, halte ich für bedenklich.“

Dass es einige Grundmerkmale gibt, die weltweit als attraktiv betrachtet werden, darin ist sich die Forschung einig. Schönheitsköniginnen seien da ein gutes Beispiel. Dazu erklärt Martin Gründl: „Miss-Wahlen sind ein interessantes Phänomen, weil sich alle Frauen vom Typ ähneln. Natürlich gibt es Unterschiede in der Farbe der Haut, Augen und Haare, aber untereinander sind sich diese Frauen in ihrer Gruppe ähnlicher als normalen Frauen.“

Und dennoch: Schönheitsideale wandeln sich im Laufe der Zeit, manche besitzen in bestimmten Erdteilen einen anderen Stellenwert. „Meist will man das haben, was man gerade nicht hat. Die Hautfarbe ist da ein gutes Beispiel. Bei uns wollen viele Menschen braun sein, weil gebräunte Haut für Urlaub und Sportlichkeit steht. In Südostasien dagegen bevorzugen die Menschen Blässe, denn sie gilt als Zeichen, dass man nicht körperlich im Freien arbeiten muss. Dieses Ideal galt bei uns vor 100 Jahren“, sagt Gründl.

Mit dem Körpergewicht sei es ähnlich. Heute gelte schlank als attraktiv, früher bevorzugte man fülligere Körper, so wie noch heute in einigen Kulturkreisen üblich.

Nach dem vermeintlichen Ideal zu streben, um als attraktiv zu gelten, ist ein altes Phänomen. Murat Dagdelen sieht, dass viele seiner Patientinnen vom Gegenteil träumen: „Westeuropäerinnen wünschen sich hohe Wangenknochen, wie sie bei Osteuropäerinnen zu finden sind. Diese wiederum sehnen sich nach weiblichen Rundungen.“

Psychologin Monika Matschnig ist Expertin für Körpersprache und findet es zu einfach, Schönheit an wenigen äußerlichen Faktoren festmachen: „Ein einziges Merkmal allein macht nicht schön. Erst durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren bewerten wir meist unbewusst die Attraktivität eines Menschen.“ So lautet ihre These. „Generell werden schlanke und sportliche Menschen als schöner empfunden. Hinzu kommt aber auch die Bewegung eines Menschen. Man muss sein Gegenüber auch riechen können und seine Stimme muss erträglich sein.“

Insofern sei es schön, wenn das Innere mit dem Äußeren eines Menschen übereinstimme. „Abschreckend ist, wenn es Menschen förmlich zerreißt bei der Umsetzung ihrer oberflächlichen Vorbilder“, meint die Österreicherin.

Diese Vorbilder sind heute meist in sozialen Netzwerken zu finden. „Idealisiert werden derzeit junge Influencer und sogenannte It-Girls mit sehr ausgeprägten weiblichen Rundungen. Niemand wendet sich mit dem Wunsch nach einem flachen Po oder einer kleineren Brust an mich. Sogar über 60-jährige Frauen kommen mit Bildern von 20-Jährigen und erwarten, dass sie nach ein paar Operationen so aussehen. Experten können und wollen das nicht ermöglichen“, betont Murat Dagdelen.

Jugendlichkeit als weltweit gültiges Schönheitsmerkmal besitzt nach Meinung des Mediziners einen besonders hohen Stellenwert: „Heutzutage will jeder zehn Jahre jünger aussehen, als er eigentlich ist.“ Wer jung ist, gilt als attraktiv. „Und die Menschen setzen Attraktivität mit Erfolg gleich. Sie denken, wenn sie schön aussehen, führen sie ein erfülltes Leben, mit glücklicheren Beziehungen und besseren Jobs.“ Eine Vorstellung, die nach den Studien der Attraktivitätsforscher berechtigt ist. „Schöne Menschen haben es im Leben leichter. Das ist lange bekannt“, sagt Martin Gründl. „Ihnen werden positivere Charaktereigenschaften zugeschrieben. Für weniger schöne Menschen gilt leider auch der Umkehrschluss.“

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