Verhindert der Vollmond einen guten Schlaf?

München · Münchener Wissenschaftler finden keinen Zusammenhang zwischen dem Vollmond und dem menschlichen Schlaf, Baseler Forscher hingegen schon. Da wir noch zu wenig wissen, bleibt das Thema weiterhin Glaubenssache.

 Viele Menschen sind davon überzeugt, bei Vollmond schlecht zu schlafen. Doch wissenschaftlich ist das bis heute nicht zweifelsfrei belegt. Auch neue Forschungen liefern gegensätzliche Ergebnisse. Foto: Fotolia

Viele Menschen sind davon überzeugt, bei Vollmond schlecht zu schlafen. Doch wissenschaftlich ist das bis heute nicht zweifelsfrei belegt. Auch neue Forschungen liefern gegensätzliche Ergebnisse. Foto: Fotolia

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(ml) Im Volksglauben gibt es verschiedene Mythen über den Einfluss des Mondes auf die Gesundheit und das Verhalten der Menschen. So leiden angeblich viele Menschen bei Vollmond unter Schlafstörungen. Zwei neue Studien kommen in dieser Frage jedoch zu gegensätzlichen Ergebnissen. Während Forscher der Universität Basel herausgefunden haben, dass Menschen bei Vollmond schlechter schlafen, konnten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München keinen Zusammenhang zwischen den Mondphasen und dem Schlaf ermitteln.

Zum Thema Schlaf wird wissenschaftlich seit rund 50 Jahren geforscht, allerdings nur selten gezielt zum Zusammenhang zwischen Mond und Schlaf. Schlafdaten wurden zum Beispiel gesammelt, um die Auswirkungen eines Atemstillstands (Apnoe) im Schlaf zu untersuchen oder den Einfluss einer bestimmten Ernährung oder sportlicher Betätigung auf die Schlafqualität. Anhand dieser Schlafdaten, die zu anderen Zwecken gesammelt worden waren, versuchten Wissenschaftler im Nachhinein dann auch, den Einfluss des Mondes auf den Schlaf zu bestimmen.

In einigen wenigen Fällen wurden die Auswirkungen des Mondes auf die Schlafqualität allerdings auch gezielt untersucht, zum Beispiel mit einem Schlaf-EEG, bei dem die Gehirnströme der Schläfer gemessen wurden, und durch Messungen des Hormonspiegels im Blut in den verschiedenen Schlafphasen. Doch selbst bei solchen objektiven Untersuchungen kamen unterschiedliche Ergebnisse heraus.

In manchen Studien schienen sich die Mondphasen besonders auf Frauen auszuwirken, in andern wiederum besonders auf Männer. Zwei Analysen von Datensätzen mit jeweils 30 bis 50 Teilnehmern aus den Jahren 2013 und 2014 zeigten übereinstimmend, dass die Schlafdauer in Vollmondnächten verkürzt ist.

Weniger Träume bei Neumond

Bei weiteren Fragestellungen kamen diese beiden Studien jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. So zeigte eine der Untersuchungen, dass sich der REM-Schlaf - die Schlafphase, in der wir vor allem träumen - bei Neumond verzögert. Die andere hingegen erkannte einen verzögerten REM-Schlaf in Vollmondnächten. Die Max-Planck-Wissenschaftler in München werteten für ihre Untersuchung große Datensätze über den Schlaf zahlreicher Probanden aus. Die Ergebnisse, in der Wissenschaftszeitschrift Current Biology veröffentlicht, besagen: Der Mond hat keinen Einfluss auf den Schlaf des Menschen.

Um zu vermeiden, dass der Zufall eine zu große Rolle spielt, was bei Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich ist, untersuchten die Forscher Schlafdaten von 1265 Versuchspersonen aus 2097 Nächten. "Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir keinen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Schlaf und den Mondphasen nachweisen", berichtet der Neurowissenschaftler Dr. Martin Dresler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie. "Somit können wird auch nicht bestätigen, dass der Mond den Schlaf des Menschen beeinflusst, wie das in anderen, früheren Studien behauptet wurde."

Im Rahmen ihrer Untersuchungen stießen die Max-Planck-Forscher auf weitere, unveröffentlichte Analysen von über 20 000 Schlafnächten. Diese Studien hatten ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen können. Während diese Arbeiten nicht veröffentlicht worden waren, waren Studien, die einen Zusammenhang zwischen Mond und Schlafqualität gefunden hatten, immer publiziert worden. Das ist ein Beispiel für das sogenannte Schubladenproblem. Darunter versteht man das Phänomen, dass viele Untersuchungen zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht werden. Sie verbleiben stattdessen in der Schublade der Forscher. Die Tendenz, nur positive oder eindeutige Ergebnisse zu veröffentlichen, nicht aber negative oder unklare, ist ein viel diskutiertes Problem in der Wissenschaft.

Die Mond-Schlaf-Studien mit positivem Befund seien also bislang in der wissenschaftlichen Literatur überrepräsentiert, meinen die Max-Planck-Forscher. Zudem seien die bisherigen Forschungen zum Einfluss des Mondes auf den Schlaf wegen methodischer Mängel nur eingeschränkt brauchbar. Um zu zweifelsfreien Ergebnissen zu kommen, "müssen gut überlegte und genau auf den Zweck abgestimmte Experimentreihen mit einer großen Anzahl von Probanden durchgeführt werden", sagt Martin Dresler.(np) Eine Forschergruppe der Universität Basel unter Leitung von Professor Dr. Christian Cajochen analysierte im Schlaflabor den Schlaf von 17 jungen und 16 älteren Erwachsenen. Während diese schliefen, maßen die Forscher die Gehirnströme, Augenbewegungen und Hormonspiegel. "Dabei stellte sich heraus, dass unsere innere Uhr auch heute noch auf den Rhythmus des Mondes reagiert", berichten die Wissenschaftler in der Wissenschaftszeitschrift Current Biology. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich sowohl die objektiv messbare als auch die subjektiv wahrnehmbare Schlafqualität bei Vollmond verändert. Dann fanden sich in den Hirnarealen 30 Prozent weniger Delta-Wellen, die mit tiefem Schlaf in Verbindung stehen.

Die Probanden brauchten länger, um einzuschlafen, und schliefen weniger. Zudem hatten sie weniger Melatonin im Blut, ein Hormon, das unsere Schlaf- und Wachphasen reguliert.

Christian Cajochen geht davon aus, dass der Mond bis heute unsere Verhaltensmuster beeinflusst. Bei vielen Tierarten, vor allem bei Meereslebewesen, sei der Einfluss des Mondlichts zum Beispiel auf das Paarungsverhalten gut dokumentiert. Beim Menschen überstrahlten heutzutage meist andere Einflüsse des modernen Lebens wie elektrisches Licht den Einfluss des Mondes.

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