Schon bei leichtem Übergewicht schütten Fettzellen ständig schädliche Stoffe aus

Jena · In Blut und Leber übergewichtiger Kinder im Alter von fünf bis acht Jahren konnten Wissenschaftler der Universitäten Jena und Hohenheim viele gesundheitsgefährdende Stoffe nachweisen. Diese stammen aus dem Fettgewebe.

 Bei einem Krafttraining schütten die Muskeln Stoffe aus, die die schädliche Wirkung, die von Fettpolstern ausgeht, bekämpfen. Foto: ml

Bei einem Krafttraining schütten die Muskeln Stoffe aus, die die schädliche Wirkung, die von Fettpolstern ausgeht, bekämpfen. Foto: ml

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(ml) Bei drei von vier Kindern mit Übergewicht sind bereits bedenkliche Gesundheitsstörungen festzustellen.

Infarktrisiko: Forscher des Universitäten Jena und Hohenheim fanden im Blut der Kinder einen Eiweißstoff, der den Namen Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 trägt. Dieser Stoff wird vom Eingeweidefett, das sich im Bauchraum angesammelt hat, ausgeschüttet und verstärkt die Blutgerinnung. Ein hoher Anteil im Blut birgt die Gefahr, dass es zu Blutgerinnseln kommt und in der Folge zu Embolien und Infarkten.

Stoffwechselstörungen: Das Fettgewebe bildet bei Übergewicht auch vermehrt das Hormon Leptin. Eine erhöhte Konzentration im Blut ist ein deutlicher Hinweis auf Stoffwechselstörungen. Leptin signalisiert dem Gehirn, wenn man satt ist. Es gibt Indizien dafür, dass Übergewichtige Leptin selbst dann noch in großen Mengen ausschütten, wenn sie schon längst genug gegessen haben. Auf diese Überproduktion an Leptin reagiert das Gehirn irgendwann nicht mehr. Dadurch bleibt ein ständiges Hungergefühl. "Doch in diesem Zusammenhang sind viele Fragen noch nicht geklärt", sagt Professor Dr. Ina Bergheim von der Universität Jena.

Herzerkrankungen: Übergewichtige Kinder weisen eine deutlich höhere Konzentration des C-reaktiven Proteins auf als Normalgewichtige. Dieser Eiweißstoff wird in der Leber gebildet und ins Blut abgegeben. Bei Entzündungen im Körper steigt seine Konzentration an. Er gilt als Hinweis auf mögliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei ansonsten gesunden Patienten.

Leberverfettung: Die Forscher fanden bei den übergewichtigen Mädchen und Jungen auch eine deutlich erhöhte Menge an Alanin-Aminotransferase. Tritt dieser Eiweißstoff in erhöhter Konzentration in der Leber auf, deutet das auf eine Leberverfettung und geschädigte Leberzellen hin. Die Studie zeigte, dass bereits 17 Prozent der untersuchten Kinder eine leichte Fettleber aufweisen. Die Leber droht zu verfetten, wenn ständig mehr Kalorien aufgenommen werden als der Körper verbraucht. Eine Fettleber führt zu vielfältigen und schwerwiegenden Stoffwechselerkrankungen.

Gefäßverstopfung: Übergewichtige Mädchen und Jungen weisen im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern auch höhere Blutfettwerte und einen erhöhten Cholesterinspiegel auf. Beides kann zu Verstopfungen der Blutgefäße führen. Dadurch steigt das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Insulinresistenz: Von den dicken Mädchen weisen bereits 49 Prozent eine Insulinresistenz auf, von den übergewichtigen Jungen 46 Prozent. Doch auch 20 Prozent der normalgewichtigen Mädchen und 18 Prozent der normalgewichtigen Jungen zeigen eine Insulinresistenz. Das deutet darauf hin, dass die Muskeln aufgrund von Bewegungsmangel kaum noch Zucker verbrennen. Die Bauchspeicheldrüse produziert dann immer mehr Insulin. Dieser Signalstoff soll die Muskelzellen doch noch dazu bringen, mehr Zucker aufzunehmen, wodurch der hohe Blutzuckerspiegel sinken würde. Doch die Zellen reagieren immer weniger auf das Insulin-Signal; sie werden insulinresistent.

Zucker, den die Muskeln nicht verbrennen, wandert zur Leber, die alle Überschüsse in Fett umbaut. Bei ständiger Überversorgung wird auch die Leber insulinresistent. Es droht ein Diabetes.

"Möglicherweise wird die Leber sogar vor den Muskelzellen insulinresistent", sagt Ina Bergheim. "In den Lebern von Mäusen sind teilweise schon Veränderungen zu sehen, die an anderer Stelle im Körper so noch nicht nachweisbar sind."

Hoher Blutdruck: Nicht zuletzt leiden übergewichtige Kinder unter höherem Blutdruck und weisen einen erhöhten Harnsäure-Spiegel auf. Dieser ist ein Indiz für das Metabolische Syndrom.

Dass dicke Kinder im Durchschnittsalter von zwölf Jahren bereits unter Bluthochdruck, einer Vorstufe der Arterienverkalkung und einer Vorstufe des Diabetes leiden, wiesen Ärzte der Uni Leipzig nach. Ultraschalluntersuchungen des Herzens zeigten, dass übergewichtige Kinder schon Veränderungen am Herzen haben, wie sie bei Erwachsenen mit Bluthochdruck, Diabetes, und Erkrankungen der Herzkranzgefäße auftreten. Und bei dicken Kindern kann bereits das Nervensystem geschädigt sein.

Übergewicht erhöht sogar das Krebsrisiko. "Durch die Signalstoffe, die das Fettgewebe ständig ausschüttet, kann es auch zu einem unkontrollierten Zellwachstum und somit zu Krebstumoren kommen", sagt Professor Dr. Martin Wabitsch von der Uniklinik Ulm. "Anders als bei Erwachsenen wurden zwar bei Kindern noch keine durch Signalstoffe verursachte Tumore nachgewiesen, doch die Gefahr einer Erkrankung wird schon in jungen Jahren angelegt."

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