Schlaflosigkeit für Forscher noch immer ein Rätsel

Schlaf ist lebenswichtig. Anhaltender Schlafmangel schwächt zum Beispiel das Immunsystem, verursacht Entzündungen und erhöht das Risiko für Diabetes, Übergewicht und Gedächtnisstörungen. Mit zunehmendem Alter nimmt bei vielen Menschen die Schlafqualität ab.

 Die im Durchschnitt zwei Millimeter lange Taufliege liefert Schlafforschern wichtige Erkenntnisse. Foto: Reinhard Wolf/Uni Würzburg

Die im Durchschnitt zwei Millimeter lange Taufliege liefert Schlafforschern wichtige Erkenntnisse. Foto: Reinhard Wolf/Uni Würzburg

Foto: Reinhard Wolf/Uni Würzburg

Das reduziert die Lebensqualität.

Doch noch längst nicht in jedem Fall ist klar, was zu Schlaflosigkeit führt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln untersuchen beispielsweise, wie der Alterungsprozess den Schlaf beeinträchtigt. Dazu experimentieren die Forscher mit Taufliegen. Viele der Fliegen-Gene haben große Ähnlichkeit mit den Genen des Menschen. Deshalb werden die Tierchen schon lange für die medizinische Forschung genutzt.

Erste Ergebnisse der Forscher deuten darauf hin, dass eine altersbedingte Verschlechterung des Schlafes verhindert werden kann und vielleicht sogar umkehrbar ist.

"Der Schlaf der Taufliege hat viele Gemeinsamkeiten mit dem menschlichen Schlaf. Dazu gehört auch die Abnahme der Qualität", sagt Dr. Luke Tain vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. "Fliegen schlafen wie Menschen in der Nacht und sind während des Tages aktiv. Wir können beobachten, wann und wie lange Fliegen schlafen. Und wir können die Qualität ihres Schlafes bestimmen, indem wir messen, wie oft sie aufwachen. Das wiederum ermöglicht uns zu studieren, wie bestimmte Substanzen und andere Einflüsse auf den Schlaf wirken, zum Beispiel das Alter und die genetische Veranlagung", erklärt Tain.

Im menschlichen Körper werden Signale und Botschaften aus den Nervenzellen mithilfe sogenannter Neurotransmitter auf andere Zellen übertragen. Bei diesen Neurotransmittern handelt es sich um chemische Stoffe. Nach heutigem Stand des Wissens können etwa 100 Substanzen als Neurotransmitter wirken.

Die Max-Planck-Experten haben bei ihrer Schlafforschung einen Neurotransmitter genau unter die Lupe genommen: Dopamin. Das Hormon ist daran beteiligt, Aktivität und Schlaf des Menschen zu regulieren.

Der Weg im Körper, über den der Signalstoff Dopamin transportiert wird, ist bei vielen Lebewesen gleich, auch bei Taufliege und Mensch. Das deutet darauf hin, dass dieser Signalweg so wichtig für die Regulierung des Organismus ist, dass die Evolution ihn über Millionen Jahre erhalten hat. Er wurde, wie es Fachleute ausdrücken, evolutionär konserviert. Eine hohe Konzentration des Botenstoffes Dopamin im Gehirn erhöht die Wachsamkeit und Aufmerksamkeit - und führt dadurch zu Schlaflosigkeit. Fühlt man sich schon müde, will aber unbedingt noch etwas erledigen - das kann Büroarbeit sein, aber auch eine Fete - schüttet der Körper vermehrt Dopamin aus, damit die Konzentration erhalten bleibt. Das viele Dopamin kann später jedoch den Schlaf verhindern - aber offenbar nicht bei jedem.

Dopamin wird nicht bei allen Menschen gleich gut im Gehirn übertragen. Bei einigen verläuft die Übertragung weniger effizient als bei anderen, hat die amerikanische Hirn- und Suchtforscherin Dr. Nora Volkow herausgefunden. Vielleicht wird auf Basis ihrer Erkenntnis eine Therapie entwickelt, um auch bislang unerklärliche Schlafstörungen behandeln zu können.

Die Kölner Forscher haben gezeigt, dass für die Nachtruhe neben dem Neurotransmitter Dopamin auch ein Protein (Eiweiß) namens TOR eine wesentliche Rolle spielt. TOR ist daran beteiligt, das Wachstum von Zellen zu regulieren. TOR fördert das Zellwachstum, wenn in ausreichender Menge Nährstoffe zur Verfügung stehen. Herrscht jedoch Nährstoffknappheit, dann unterbrechen die Zellen die aufwendige Produktion neuer Proteine . Sie beginnen stattdessen, einen Teil ihrer eigenen Bestandteile abzubauen, um die "Hungersnot" zu überleben.

Bauen Zellen sich selbst ab, spricht man von Autophagie. Die Alternsforscherin Professor Dr. Linda Partridge und ihr Team haben ebenfalls bei Versuchen mit Taufliegen entdeckt, dass man eine Autophagie auch herbeiführen kann, wenn man den Signalweg von TOR mit einem Wirkstoff namens Rapamycin hemmt. Der Hammer dabei ist, dass der Hemmstoff auch noch eine wundersame Wirkung entfaltet: Fliegen, die mit Rapamycin gefüttert werden, leben länger.

Rapamycin hat diesen Effekt aber nur, wenn die Autophagie bereits eingetreten ist, die Zellen also schon im Hungerstress sind. Bei Rapamycin handelt es sich ursprünglich um eine Substanz, die Bakterien in den Boden abgeben, um das Wachstum von Pilzen zu unterbinden, mit denen sie in Konkurrenz um Nährstoffe stehen. Linda Patrigde und ihr Team hoffen, ihre verblüffende Entdeckung zukünftig auch zum Nutzen des Menschen verwenden zu können.

Der wundersame Wirkstoff Rapamycin spielt auch bei den Untersuchungen der Kölner Schlafforscher eine wichtige Rolle. Wird er verabreicht, um die Aktivität von TOR akut zu hemmen, verbessert sich die Schlafqualität deutlich - selbst bei alten Fliegen. "Ein völlig überraschendes Ergebnis", erklären die Wissenschaftler. Es legt nahe, dass altersbedingte Schlafstörungen nicht nur vermeidbar, sondern auch wieder umkehrbar sind. Die Forscher arbeiten auf Basis dieser Ergebnisse weiter. "Wir hoffen, letztendlich eine Therapie entwickeln zu können, welche die Schlafqualität älterer Menschen verbessert", sagt Luke Tain.

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