Schadet intensiver Ausdauersport dem Herzen?

Schädigt intensiver Ausdauersport das Herz? Über diese Frage diskutieren Ärzte schon seit über 100 Jahren. Und bis heute gibt es keine allgemein akzeptierte Antwort.

Kein Wunder also, dass sich die Experten auf Kongressen und in Fachzeitschriften noch immer mit dem Thema befassen. Mediziner des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes wollen jetzt in einer großen Studie herausfinden, ob regelmäßige intensive Ausdauerbelastungen das Herz langfristig schädigen können.

Eigentlich hatte sich in der Wissenschaft in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass Herzprobleme und auch der plötzliche Herztod bei Sportlern in der Regel auf unerkannte krankhafte Veränderungen des Herzens oder genetische Vorbelastungen zurückzuführen sind. Als Risikofaktoren gelten Bluthochdruck, Herzklappenerkrankungen, eine übergangene Herzmuskelentzündung oder Herzinfarkte als Folge von Verengungen der Herzkranzgefäße . Möglich sind auch Fehlbildungen der Herzkranzgefäße , die bis zum tödlichen Ereignis unentdeckt geblieben sind.

Doch vor Kurzem erklärte Professor Dr. Hein Heidbüchel von der Universität Leuven in Belgien, allein extremes Ausdauertraining - die Rede ist von mehr als zehn Stunden pro Woche - könne das Herz schädigen. Heidbüchel und seine Mitarbeiter, die nach den Ursachen für den plötzlichen Herztod bei Sportlern geforscht hatten, stellten die Hypothese auf, dass extreme Ausdauerleistungen die rechte Herzkammer so stark belasten, dass es zu bleibenden Schäden kommen könne.

Bei intensivem Ausdauertraining könne der Druck in der Lungenschlagader stark ansteigen. Dadurch würden auch die Muskelzellen der rechten Herzkammer, wo die Lungenarterie entspringt, erheblichem Stress ausgesetzt. Heidbüchel meint, die Herzwand dehne sich dabei stark aus, und ihre Fähigkeit, sich wieder zusammenzuziehen, sei vermindert. Vereinfacht gesagt, soll durch regelmäßige hohe Belastung unter anderem die Proteinstruktur, die die Herzmuskelzellen aneinander hält, zu Schaden kommen. Dadurch entstünden kleinste Verletzungen, die sich im Laufe der Zeit aufsummieren und zu ernsthaften Schäden führen könnten. Das könne insbesondere lebensbedrohliche Rhythmusstörungen hervorrufen.

Zwar erhole sich bei den meisten Sportlern das Herz von den mikroskopischen Schädigungen sehr schnell, in manchen Fällen aber werde es dauerhaft geschädigt. Die belgischen Wissenschaftler gehen von drei bis fünf Prozent aus. Allerdings kann Heidbüchel nicht voraussagen, wer extremes Ausdauertraining verträgt und wer nicht.

Auch Privatdozent Dr. Jürgen Scharhag vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität Saarbrücken geht davon aus, dass intensives Ausdauertraining die Herzwand stark belastet. "Für bleibende Schäden gibt es jedoch keinerlei Beweise." Scharhag hatte mit Kollegen in Potsdam die Herzen von Mitgliedern der Triathlon-Nationalmannschaft über eine Saison mehrfach in Trainingslagern oder bei Wettkämpfen per Ultraschall untersucht und zuvor schon in Saarbrücken bei 105 Ausdauersportlern nach Schädigungen des Herzmuskels gefahndet.

"Wir gehen derzeit davon aus, dass bei anstrengenden Ausdauerleistungen die Herzwand stark belastet wird und vorübergehend sogar kleinste Lücken oder Bläschen in den Zellwänden der Herzmuskelzellen entstehen", sagt Scharhag. "Dadurch wird das Herz aber nicht dauerhaft geschädigt, denn die Auffälligkeiten verschwinden wieder." Der Kardiologe beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit diesem Thema. Denn in Studien wurde bei fast der Hälfte der Ausdauersportler, die einen Marathonlauf, Triathlon, Skilanglauf, 100-Kilometer-Lauf oder Mountainbike-Marathon bewältigt hatten, nach den anstrengenden Wettbewerben ein Eiweiß namens Troponin im Blut nachgewiesen, das normalerweise nur nach einem Herzinfarkt in die Blutbahn gelangt. "Troponin ist ein Bestandteil der Herzmuskelfasern. Die Muskelfasern könnten sich ohne diesen Eiweißkomplex nicht zusammenziehen", erläutert Scharhag. Sterben bei einem Infarkt Herzmuskelzellen ab, wird Troponin frei und lässt sich im Blut nachweisen.

Forscher haben jedoch herausgefunden, dass der erhöhte Troponin-Spiegel nach extremer Ausdauerbelastung innerhalb von 24 Stunden wieder auf das normale Niveau sinkt. Bei einem Herzinfarkt hingegen bleibt er mehrere Tage lang erhöht. "Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass bei einem anstrengenden Ausdauertraining oder -wettkampf die Zellwände der Herzmuskelzellen durch die hohe Beanspruchung für das Troponin durchlässiger werden", erläutert Jürgen Scharhag. "Möglicherweise dringt dann durch die vorübergehenden Minilücken oder Bläschen der Zellwände Troponin ins Blut. Doch wahrscheinlich handelt es sich nur um freies Troponin, das noch nicht in die Muskelfaserstruktur der Zelle eingebaut ist." Bei einem Herzinfarkt hingegen gelangt in den Muskelfasern bereits gebundenes Troponin ins Blut.

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