Riesenbabys nach Diabetes in der Schwangerschaft

Im Juli letzten Jahres machte ein besonderes Baby Schlagzeilen: In der Uniklinik Leipzig hatte ein Mädchen mit stattlichen 6,1 Kilogramm Körpergewicht das Licht der Welt erblickt, womit es zu den schwersten Kindern gehört, die je in Deutschland geboren wurden. Üblicherweise wiegen Neugeborene um die drei Kilogramm.

Gelegentlich bringen allerdings auch völlig gesunde Frauen komplikationslos gesunde Kinder mit vier oder mehr Kilogramm Gewicht zur Welt. Als Grund für das enorme Geburtsgewicht des Leipziger Mädchens gaben die Ärzte einen unentdeckten Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) der Mutter an. Damit wird eine Form der Zuckerkrankheit bezeichnet, die während der Schwangerschaft erstmals auftritt. Betraf dies vor 20 Jahren zwei Prozent aller Schwangerschaften, so waren es im Jahr 2012 mehr als vier Prozent. Diese Zunahme wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Schwangeren heute älter und häufiger übergewichtig sind. Zusammen mit einem Mangel an körperlicher Bewegung und einer genetischen Veranlagung sind das Alter und Überernährung die wichtigsten Risikofaktoren für Störungen des Zuckerstoffwechsels, so auch in der Schwangerschaft. Die werdenden Mütter haben dann trotz hoher Insulinwerte einen zu hohen Blutzucker, spüren davon meist aber nichts. Nach der Geburt ist der Spuk meist wieder vorüber. Harmlos ist ein Schwangerschaftsdiabetes dennoch nicht, denn er erhöht verschiedene Risiken für Mutter und Kind. Aufseiten der Mütter kommt es häufiger zu Infektionen, die wiederum das Risiko für eine Frühgeburt steigern. Weil die Kinder im Mutterleib sehr groß und schwer werden, müssen sie häufiger per Kaiserschnitt entbunden werden.

Auch die Präeklampsie, eine Schwangerschaftskomplikation mit hohem Blutdruck, Eiweißverlusten und Ödemen, kommt bei Schwangeren mit Gestationsdiabetes häufiger vor. Und auch wenn diese Diabetesvariante nach der Geburt meist wieder verschwindet, so entwickeln doch bis zu 60 Prozent der betroffenen Frauen innerhalb der nächsten zehn Jahre einen behandlungsbedürftigen Typ-2-Diabetes. Das ist sieben- bis zehnmal häufiger als bei Frauen ohne Problem mit dem Zuckerstoffwechsel in der Schwangerschaft. Deswegen sollten sich die betroffenen Schwangeren sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt und im Folgenden alle ein bis drei Jahre erneut testen lassen, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls sich ein Typ-2-Diabetes entwickelt.

Auch das Stillen schützt, denn es verbessert den Zuckerstoffwechsel der entbundenen Mütter. So fand die Arbeitsgruppe um die Professorin Dr. Anette-Gabriele Ziegler vom Diabetes-Forschungsinstitut des Münchner Helmholtz-Zentrums heraus, dass Frauen mit vorangegangenem Schwangerschaftsdiabetes ihr Risiko, später einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, um 30 Prozent senken können, wenn sie ihre Kinder länger als drei Monate stillen. Auch in den von einem Expertenteam verfassten ärztlichen Leitlinien zum Schwangerschaftsdiabetes wird Frauen geraten, vier Monate zu stillen.

Wie steht es um die Kinder? Kreist zu viel Traubenzucker im mütterlichen Blut, werden auch sie mit Zucker "durchtränkt". Die kindliche Bauchspeicheldrüse muss früher und deutlich mehr Insulin bilden als bei einer gesunden Mutter. Dies führt unter anderem zu vermehrten Fetteinlagerungen, gesteigertem Größenwachstum, Bauchumfang und Sauerstoffbedarf. Das Risiko, zu früh geboren zu werden, steigt. Während der Geburt kommt es zwar selten, aber dennoch häufiger als bei gesunden Müttern zu Verzögerungen und Schulterverletzungen des Kindes.

Auch nach der Geburt wird es häufiger problematisch. Da die Babys an hohe Zuckermengen gewöhnt sind und viel blutzuckersenkendes Insulin bilden, können sie nach dem Abnabeln in eine gefährliche Unterzuckerung rutschen. Zudem prägen die vorgeburtlich hohen Blutzuckerwerte den Stoffwechsel der Kinder derart um, dass sie im späteren Leben selbst ein höheres Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck sowie Störungen des Zuckerstoffwechsels und Typ-2-Diabetes tragen.

Die gute Nachricht lautet, dass sich alle diese Probleme gut in den Griff bekommen lassen. Wird ein Schwangerschaftsdiabetes rechtzeitig erkannt und gut behandelt, sind keine gesundheitlichen Schäden bei Mutter und Kind zu befürchten. Meist genügen zur Behandlung eine Anpassung der Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung. Die Mütter sollten nicht übermäßig viel zunehmen, ihren Blutzuckerspiegel laufend kontrollieren und ihr Kind regelmäßig vom Arzt vermessen lassen. Nur in seltenen Fällen muss die Schwangere Insulin spritzen. Andere Diabetesmedikamente sind während einer Schwangerschaft nicht zugelassen. Dies ist ein weiterer Grund, die Ernährung zu verbessern und sich mehr zu bewegen. Doch egal, ob es erforderlich ist, Insulin zu spritzen oder nicht, auch Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes bringen in den allermeisten Fällen gesunde Kinder zur Welt.

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