Mehr Kohlköpfe als Wurstgesichter?

Die Vegetarier sind nicht zu stoppen - gefühlt ist das Land voll von Menschen, die kein Fleisch mehr essen. Oder tierische Produkte gleich komplett vom Speiseplan streichen und vegan leben. So brachte der "Stern" in seiner Ausgabe vom 24. April 2014 die Titelgeschichte "Die vegane Versuchung". Im Text hieß es: "Immer mehr Menschen wollen sich ohne Tierprodukte ernähren". Zahlen nannte der Stern allerdings nicht - wohlweislich. Denn keiner kann sagen, wie viele Veganer es wirklich gibt. Fest steht nur: Es sind sehr, sehr wenige. Schließlich ist in unserer Esskultur der Genuss von tierischen Produkten und Fleisch tief verwurzelt. Nach strengen vegetarisch-veganen Kriterien dürften aber außer Steaks, Schnitzeln und Schinken auch keine Milch , keine Butter , kein Joghurt, keine Eier und kein Honig auf den Tisch. Tatsächlich streichen nur wenige Deutsche Fleisch oder Tierisches vom Speiseplan, wie das Max-Rubner-Institut Karlsruhe - das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel - im März 2014 festgestellt hat. Eine repräsentative wissenschaftliche Erhebung mit rund 2000 Teilnehmern hat gezeigt, dass es in Deutschland nicht mehr als zwei Prozent Vegetarier gibt. Darin enthalten sind laut Institut auch die Veganer . Aber eine genaue Zahl für diese Randgruppe lässt sich mit den üblichen Gruppengrößen in einer Umfrage gar nicht ermitteln. Daher äußert sich derzeit kein seriöser Wissenschaftler zur Anzahl der Veganer . Eine repräsentative Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen mit rund 1200 Befragten erbrachte im Juli 2013 ebenfalls einen Anteil von knapp zwei Prozent Vegetariern in Deutschland. Dabei werden immer wieder ganz andere Zahlen veröffentlicht. So vermeldet der Vegetarier-Bund (VEBU) auf seiner Internetseite, rund acht bis neun Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebten vegetarisch. Diese Zahl findet man dann auch andernorts, zum Beispiel in der Bildungssendung "Planet Wissen" des WDR-Fernsehens, und auch im Bayerischen Rundfunk. Ein Trend zu wenig Fleisch ist vor allem in Großstädten und unter jüngeren, gebildeten Frauen nicht von der Hand zu weisen. Aber ein oder zwei fleischfreie Tage pro Woche oder gelegentlich ein Sojawürstchen machen noch keinen Vegetarier. Dass die Schätzungen des Vegetarier-Bundes von den seriösen Zahlen so stark abweichen, liegt an der Art der Erhebung. Bei den vom VEBU zitierten Umfragen konnten die Befragten sich in der Regel selbst als Vegetarier einordnen. Dagegen fühlen bei aufwändigen ernährungswissenschaftlichen Studien geschulte Interviewer den Teilnehmern auf den Zahn. Denn Fachleute wissen schon seit Langem: Was Menschen wirklich essen und was sie darüber sagen, ist nicht dasselbe. So ergaben schon mehrere Studien, dass Personen, die sich selbst als Vegetarier bezeichneten, trotzdem Fisch, Geflügel oder Wurst aßen, wenn man sie genau befragte oder Ernährungsprotokolle führen ließ. 2013 befasste sich das Greenpeace-Magazin unter dem Titel "Die Besser-Esser" mit Vegetarismus. Die Redaktion gab eine Umfrage in Auftrag, in der ebenfalls nur zwei Prozent konsequente Vegetarier ermittelt wurden. Dennoch kam auch wieder der Vegetarier-Bund zu Wort, der von bereits neun Prozent Vegetariern redete - im Widerspruch zu allen seriösen wissenschaftlichen Zahlen. Dabei hat sich das Essverhalten der Deutschen seit Jahren nicht wesentlich verändert: Der Fleischkonsum bricht nicht spürbar ein, der Verzehr von Obst oder Getreide steigt nicht übermäßig an. Im Ernährungsbericht 2013 stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die größtenteils von Bund und Ländern finanziert wird, fest, dass zwar der Verzehr von Gemüse gestiegen ist, doch gleichzeitig auch der von Fisch, Käse und Geflügel , während der Fleischkonsum fast gleich geblieben ist. Der liegt seit 2005 bei rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Die Süddeutsche Zeitung fragte angesichts dieser Zahlen im Januar 2014 den Soziologen Daniel Kofahl, woher der Eindruck käme, dass es immer mehr Vegetarier gibt. Der Wissenschaftler, der an den Universitäten Kassel und Trier lehrt, meinte, es handele sich eher um einen "gefühlten Vegetarismus", propagiert von "Vertretern bildungshöherer Schichten", die sich "eloquent ausdrücken" könnten und "erfolgreich um ihre Deutungshoheit" kämpften. Es gibt auch eine Erklärung dafür, warum die zu hohen Schätzungen des Vegetarier-Bundes immer wieder aufgegriffen werden. Der Vegetarier-Bund erscheine "als eine Art unabhängiger Fachverband und nicht als Lobby-Verein", meint Katja Morgenthaler vom Greenpeace-Magazin. Tatsächlich ist der VEBU auf der Lobby-Liste des Bundestages registriert und beschäftigt neuerdings auch einen hauptamtlichen Lobbyisten in Brüssel. Doch beim Umgang mit Zahlen und Fakten nehmen es allerdings auch andere nicht so genau - etwa die Autoren des "Fleischatlas". Der wird herausgegeben vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit der Zeitschrift "Le Monde Diplomatique". Die Dokumentation hat den Anspruch, die Lage zur globalen Fleischwirtschaft und zum Fleischkonsum darzustellen. Damit sollen die Verbraucher über die Konsequenzen ihres Konsums aufgeklärt werden. Doch die im Fleischatlas veröffentlichten Zahlen werden auch im eigenen Lager kritisiert, etwa von Thomas Divis von der "Südwind Agentur", einer entwicklungspolitischen Organisation in Österreich, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Im Atlas wird zum Beispiel gesagt, zur Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch seien 15 500 Liter Wasser erforderlich. Dass davon 94 Prozent Regenwasser sind, das auf Äcker und Weiden fällt, wird nicht erklärt. Statistisch gesehen isst jeder Deutsche 60 Kilogramm Fleisch im Jahr, was 165 Gramm pro Tag entspricht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung heißt aber nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche gut. Das wären 43 bis 86 Gramm pro Tag oder zwei bis drei Fleischportionen in der Woche. Der Hintergrund dafür ist die DGE-Richtlinie zur Zufuhr von Eiweiß, denn Fleisch ist dafür der Hauptlieferant. Diese Richtlinie hat jedoch nur eingeschränkte Aussagekraft. Denn sie formuliert lediglich den Mindestbedarf. Isst man mehr Eiweiß, sind keine üblen Folgen belegt. Das stellt die DGE selbst fest: "Für eine schädigende Wirkung einer weit über der Empfehlung liegenden Proteinzufuhr liegt nach aktuellem Kenntnisstand bisher kein direkter experimenteller Nachweis vor." Im Klartext: Man kann auch viel mehr Eiweiß beziehungsweise Fleisch essen. Es schadet nicht. Aber "aus Sicherheitsgründen erscheint es ratsam", weniger Protein zu sich zu nehmen, so die Ernährungshüter der Republik im Jahr 2011. Das klingt, als handele es sich bei Eiweiß um eine giftige, bis dato unbekannte Substanzklasse aus den Hexenkesseln der Chemie. Und nicht um einen biologischen Nährstoff, dessen Unbedenklichkeit seit Jahrmillionen erwiesen ist. Inzwischen wurden die Werte von 2011 aber schon leicht nach oben korrigiert. Manche Experten halten die Eiweiß-Empfehlungen der DGE ohnehin für viel zu niedrig. Wird über Vegetarier und Veganer berichtet, taucht oft das Gesundheitsargument auf: Mit Fleischverzicht tue man dem Körper etwas Gutes. Dabei hat sich die Mär vom "ungesunden" Fleisch inzwischen erledigt, seit sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Cholesterin und tierischen Fettsäuren komplett gedreht haben. Fleisch , mit der Nahrung aufgenommenes Cholesterin und auch die tierischen Fettsäuren in Fleisch , Butter , Eiern und Milch sind inzwischen rehabilitiert. Weder sind sie per se ungesund noch beeinflussen sie den Cholesterinspiegel nennenswert noch sind sie als einzelnes Lebensmittel für Krebs, Herzinfarkt oder Arterienverkalkung haftbar zu machen. Viele Verbraucher zeigen sich aber daran interessiert, etwas weniger und dafür hochwertigeres Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen. Zumindest theoretisch, das hat die oben genannte Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen 2013 ergeben. 60 Prozent der Befragten erklärten, sie seien im Prinzip bereit, ihren Fleischkonsum zu verringern, und würden zwölf Prozent mehr für besseres Fleisch bezahlen. Ob sich aber wirklich etwas ändert am Kauf- und Ernährungsverhalten, ist ungewiss. "Ernährungsgewohnheiten sind tief geprägt und ändern sich nur sehr langsam", meint Achim Spiller, Experte für Agrarökonomie und landwirtschaftliche Produkte an der Universität Göttingen und Mitautor der Vegetarier-Studie von 2013. Er glaubt zwar an den langfristigen Trend zum Hochwertigen. Aber eine schnelle und totale Abkehr großer Bevölkerungsteile von Fleisch , wie sie von der Vegetarier-Lobby suggeriert wird, sieht er nicht: "Weniger Fleischverzehr in der gesamten Gesellschaft, das ist eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte hinziehen wird." Und doch ändert sich das Bewusstsein für Tierhaltung und Tierwohl offenbar bereits langsam. Welcher Fleischesser würde es nicht begrüßen, wenn die Tiere vor dem Schlachten ein glückliches Leben haben? Schon alleine aus Qualitätsgründen - ein Steak vom Weideochsen schmeckt einfach besser als ein industriell erzeugter, wässriger Lappen. Kein Fleisch zu essen, ist aber auch keine Lösung. Inzwischen ist sattsam bekannt, dass Tierhaltung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gehört und dass weltweit 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche nur für Weidewirtschaft, aber nicht für Ackerbau geeignet sind. Daher betrachtet auch Spillers Kollege Harald Grethe von der Universität Hohenheim , Mitautor der Studie von 2013, einen moderaten Fleischverzehr für die bessere Wahl: "Wenn viele Leute etwas weniger Fleisch essen, bringt das mehr, als wenn wenige oder alle radikal ihre Ernährung umstellen."

Die Vegetarier sind nicht zu stoppen - gefühlt ist das Land voll von Menschen, die kein Fleisch mehr essen. Oder tierische Produkte gleich komplett vom Speiseplan streichen und vegan leben. So brachte der "Stern" in seiner Ausgabe vom 24. April 2014 die Titelgeschichte "Die vegane Versuchung". Im Text hieß es: "Immer mehr Menschen wollen sich ohne Tierprodukte ernähren". Zahlen nannte der Stern allerdings nicht - wohlweislich. Denn keiner kann sagen, wie viele Veganer es wirklich gibt. Fest steht nur: Es sind sehr, sehr wenige. Schließlich ist in unserer Esskultur der Genuss von tierischen Produkten und Fleisch tief verwurzelt. Nach strengen vegetarisch-veganen Kriterien dürften aber außer Steaks, Schnitzeln und Schinken auch keine Milch , keine Butter , kein Joghurt, keine Eier und kein Honig auf den Tisch. Tatsächlich streichen nur wenige Deutsche Fleisch oder Tierisches vom Speiseplan, wie das Max-Rubner-Institut Karlsruhe - das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel - im März 2014 festgestellt hat. Eine repräsentative wissenschaftliche Erhebung mit rund 2000 Teilnehmern hat gezeigt, dass es in Deutschland nicht mehr als zwei Prozent Vegetarier gibt. Darin enthalten sind laut Institut auch die Veganer . Aber eine genaue Zahl für diese Randgruppe lässt sich mit den üblichen Gruppengrößen in einer Umfrage gar nicht ermitteln. Daher äußert sich derzeit kein seriöser Wissenschaftler zur Anzahl der Veganer . Eine repräsentative Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen mit rund 1200 Befragten erbrachte im Juli 2013 ebenfalls einen Anteil von knapp zwei Prozent Vegetariern in Deutschland.

Dabei werden immer wieder ganz andere Zahlen veröffentlicht. So vermeldet der Vegetarier-Bund (VEBU) auf seiner Internetseite, rund acht bis neun Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebten vegetarisch. Diese Zahl findet man dann auch andernorts, zum Beispiel in der Bildungssendung "Planet Wissen" des WDR-Fernsehens, und auch im Bayerischen Rundfunk.

Ein Trend zu wenig Fleisch ist vor allem in Großstädten und unter jüngeren, gebildeten Frauen nicht von der Hand zu weisen. Aber ein oder zwei fleischfreie Tage pro Woche oder gelegentlich ein Sojawürstchen machen noch keinen Vegetarier. Dass die Schätzungen des Vegetarier-Bundes von den seriösen Zahlen so stark abweichen, liegt an der Art der Erhebung. Bei den vom VEBU zitierten Umfragen konnten die Befragten sich in der Regel selbst als Vegetarier einordnen. Dagegen fühlen bei aufwändigen ernährungswissenschaftlichen Studien geschulte Interviewer den Teilnehmern auf den Zahn. Denn Fachleute wissen schon seit Langem: Was Menschen wirklich essen und was sie darüber sagen, ist nicht dasselbe. So ergaben schon mehrere Studien, dass Personen, die sich selbst als Vegetarier bezeichneten, trotzdem Fisch, Geflügel oder Wurst aßen, wenn man sie genau befragte oder Ernährungsprotokolle führen ließ.

2013 befasste sich das Greenpeace-Magazin unter dem Titel "Die Besser-Esser" mit Vegetarismus. Die Redaktion gab eine Umfrage in Auftrag, in der ebenfalls nur zwei Prozent konsequente Vegetarier ermittelt wurden. Dennoch kam auch wieder der Vegetarier-Bund zu Wort, der von bereits neun Prozent Vegetariern redete - im Widerspruch zu allen seriösen wissenschaftlichen Zahlen. Dabei hat sich das Essverhalten der Deutschen seit Jahren nicht wesentlich verändert: Der Fleischkonsum bricht nicht spürbar ein, der Verzehr von Obst oder Getreide steigt nicht übermäßig an. Im Ernährungsbericht 2013 stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die größtenteils von Bund und Ländern finanziert wird, fest, dass zwar der Verzehr von Gemüse gestiegen ist, doch gleichzeitig auch der von Fisch, Käse und Geflügel , während der Fleischkonsum fast gleich geblieben ist. Der liegt seit 2005 bei rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Die Süddeutsche Zeitung fragte angesichts dieser Zahlen im Januar 2014 den Soziologen Daniel Kofahl, woher der Eindruck käme, dass es immer mehr Vegetarier gibt. Der Wissenschaftler, der an den Universitäten Kassel und Trier lehrt, meinte, es handele sich eher um einen "gefühlten Vegetarismus", propagiert von "Vertretern bildungshöherer Schichten", die sich "eloquent ausdrücken" könnten und "erfolgreich um ihre Deutungshoheit" kämpften.

Es gibt auch eine Erklärung dafür, warum die zu hohen Schätzungen des Vegetarier-Bundes immer wieder aufgegriffen werden. Der Vegetarier-Bund erscheine "als eine Art unabhängiger Fachverband und nicht als Lobby-Verein", meint Katja Morgenthaler vom Greenpeace-Magazin. Tatsächlich ist der VEBU auf der Lobby-Liste des Bundestages registriert und beschäftigt neuerdings auch einen hauptamtlichen Lobbyisten in Brüssel.

Doch beim Umgang mit Zahlen und Fakten nehmen es allerdings auch andere nicht so genau - etwa die Autoren des "Fleischatlas". Der wird herausgegeben vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit der Zeitschrift "Le Monde Diplomatique". Die Dokumentation hat den Anspruch, die Lage zur globalen Fleischwirtschaft und zum Fleischkonsum darzustellen. Damit sollen die Verbraucher über die Konsequenzen ihres Konsums aufgeklärt werden. Doch die im Fleischatlas veröffentlichten Zahlen werden auch im eigenen Lager kritisiert, etwa von Thomas Divis von der "Südwind Agentur", einer entwicklungspolitischen Organisation in Österreich, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Im Atlas wird zum Beispiel gesagt, zur Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch seien 15 500 Liter Wasser erforderlich. Dass davon 94 Prozent Regenwasser sind, das auf Äcker und Weiden fällt, wird nicht erklärt.

Statistisch gesehen isst jeder Deutsche 60 Kilogramm Fleisch im Jahr, was 165 Gramm pro Tag entspricht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung heißt aber nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche gut. Das wären 43 bis 86 Gramm pro Tag oder zwei bis drei Fleischportionen in der Woche. Der Hintergrund dafür ist die DGE-Richtlinie zur Zufuhr von Eiweiß, denn Fleisch ist dafür der Hauptlieferant. Diese Richtlinie hat jedoch nur eingeschränkte Aussagekraft. Denn sie formuliert lediglich den Mindestbedarf. Isst man mehr Eiweiß, sind keine üblen Folgen belegt. Das stellt die DGE selbst fest: "Für eine schädigende Wirkung einer weit über der Empfehlung liegenden Proteinzufuhr liegt nach aktuellem Kenntnisstand bisher kein direkter experimenteller Nachweis vor." Im Klartext: Man kann auch viel mehr Eiweiß beziehungsweise Fleisch essen. Es schadet nicht. Aber "aus Sicherheitsgründen erscheint es ratsam", weniger Protein zu sich zu nehmen, so die Ernährungshüter der Republik im Jahr 2011.

Das klingt, als handele es sich bei Eiweiß um eine giftige, bis dato unbekannte Substanzklasse aus den Hexenkesseln der Chemie. Und nicht um einen biologischen Nährstoff, dessen Unbedenklichkeit seit Jahrmillionen erwiesen ist. Inzwischen wurden die Werte von 2011 aber schon leicht nach oben korrigiert. Manche Experten halten die Eiweiß-Empfehlungen der DGE ohnehin für viel zu niedrig. Wird über Vegetarier und Veganer berichtet, taucht oft das Gesundheitsargument auf: Mit Fleischverzicht tue man dem Körper etwas Gutes. Dabei hat sich die Mär vom "ungesunden" Fleisch inzwischen erledigt, seit sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Cholesterin und tierischen Fettsäuren komplett gedreht haben. Fleisch , mit der Nahrung aufgenommenes Cholesterin und auch die tierischen Fettsäuren in Fleisch , Butter , Eiern und Milch sind inzwischen rehabilitiert. Weder sind sie per se ungesund noch beeinflussen sie den Cholesterinspiegel nennenswert noch sind sie als einzelnes Lebensmittel für Krebs, Herzinfarkt oder Arterienverkalkung haftbar zu machen.

Viele Verbraucher zeigen sich aber daran interessiert, etwas weniger und dafür hochwertigeres Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen. Zumindest theoretisch, das hat die oben genannte Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen 2013 ergeben. 60 Prozent der Befragten erklärten, sie seien im Prinzip bereit, ihren Fleischkonsum zu verringern, und würden zwölf Prozent mehr für besseres Fleisch bezahlen. Ob sich aber wirklich etwas ändert am Kauf- und Ernährungsverhalten, ist ungewiss. "Ernährungsgewohnheiten sind tief geprägt und ändern sich nur sehr langsam", meint Achim Spiller, Experte für Agrarökonomie und landwirtschaftliche Produkte an der Universität Göttingen und Mitautor der Vegetarier-Studie von 2013. Er glaubt zwar an den langfristigen Trend zum Hochwertigen. Aber eine schnelle und totale Abkehr großer Bevölkerungsteile von Fleisch , wie sie von der Vegetarier-Lobby suggeriert wird, sieht er nicht: "Weniger Fleischverzehr in der gesamten Gesellschaft, das ist eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte hinziehen wird." Und doch ändert sich das Bewusstsein für Tierhaltung und Tierwohl offenbar bereits langsam. Welcher Fleischesser würde es nicht begrüßen, wenn die Tiere vor dem Schlachten ein glückliches Leben haben? Schon alleine aus Qualitätsgründen - ein Steak vom Weideochsen schmeckt einfach besser als ein industriell erzeugter, wässriger Lappen.

Kein Fleisch zu essen, ist aber auch keine Lösung. Inzwischen ist sattsam bekannt, dass Tierhaltung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gehört und dass weltweit 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche nur für Weidewirtschaft, aber nicht für Ackerbau geeignet sind. Daher betrachtet auch Spillers Kollege Harald Grethe von der Universität Hohenheim , Mitautor der Studie von 2013, einen moderaten Fleischverzehr für die bessere Wahl: "Wenn viele Leute etwas weniger Fleisch essen, bringt das mehr, als wenn wenige oder alle radikal ihre Ernährung umstellen."

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HintergrundDas Wort vegetarisch stammt von den lateinischen Begriffen "vegetare" (beleben) und "vegetus" (frisch, lebendig) ab. Es gibt verschiedene Gruppen von Vegetariern: Ovo-Lakto-Vegetarier meiden Fleisch und Fisch, essen allerdings Eier und Milchprodukte , Lakto-Vegetarier meiden Fleisch , Fisch und Eier, aber nehmen Milchprodukte zu sich, Ovo-Vegetarier meiden Fleisch , Fisch, Milch- und Milchprodukte , essen aber Eier. Veganer meiden sämtliche tierischen Produkte. dpa

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