Kleine Stiche, große Folgen

Val hat sich einen Traumfänger in Form von Federn auf die Wade tätowieren lassen. "Der Traumfänger soll böse Träume einfangen. In meinem Fall sind es schlechte Erfahrungen, die ich über Jahre gesammelt habe", berichtet Val in der Internet-Community "Mein Tattoo".

 Alexander Hoffmann hat sich sein erstes Tattoo mit 18 Jahren stechen lassen. Mittlerweile arbeitet er in Saarbrücken selbst als Tattoo-Künstler. Foto: Rich Serra

Alexander Hoffmann hat sich sein erstes Tattoo mit 18 Jahren stechen lassen. Mittlerweile arbeitet er in Saarbrücken selbst als Tattoo-Künstler. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

"Die Federn bedeuten für mich endlich Freiheit von dem ganzen Leid, das ich ertragen habe." Das ist eine von vielen Geschichten, die öffentlich geteilt werden und die Nachahmern als Inspirationsquelle dienen. Denn die Wahl eines passenden Motivs stellt oft die erste Hürde auf dem Weg zum eigenen Tattoo dar. Schließlich wird es den Träger ein Leben begleiten.

Dermatologe Klaus Hoffmann von der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich seit Jahren mit Tätowierungen und gilt als Laser-Experte. Sein Rat: "Think before you ink - denke nach, bevor du zum Tätowierer gehst." Ein klassischer Spruch, aber seiner Meinung nach kann man ihn nicht oft genug sagen. "Ein Tattoo sollte nie spontan entstehen und ausschließlich von einem bekannten Profistudio gestochen werden." Ein niedlicher Schmetterling mag schließlich an einer 30-Jährigen gut aussehen, an einer 60-Jährigen gilt er als Jugendsünde. Zu Klaus Hoffmann kommen täglich Menschen, denen ihr Tattoo nicht mehr gefällt. "Es sind mehr Frauen als Männer. Meistens entfernen wir eher die kleinen schwarzen Tattoos als die bunten." Es entscheiden sich oft diejenigen für eine Entfernung, die nur eins am Körper tragen. Hoffmann: "Wer dagegen richtig viele Tattoos hat, ist nach unserer Erfahrung damit meist auch sehr glücklich."

So wie der Saarbrücker Alexander Hoffmann. Sein erstes Tattoo hat er sich mit 18 Jahren stechen lassen. "Mit jedem Tattoo bin ich mir selbst näher gekommen, habe mich vollkommener gefühlt und meine eigenen Grenzen ausgelotet", erzählt der Tattoo-Künstler. "Als Kunst gibt mir das Tätowieren unendlich viel. Sich in seiner eigenen Sprache ausdrücken zu dürfen, bei jemandem für immer auf dem Körper verewigt, ist schon ein Prozess, der weit über normale Arbeit hinausgeht." Er findet es normal, dass es vielleicht Jahre dauert, bis man sich für ein Motiv entscheidet: "Das Wichtigste ist, dass es sich richtig anfühlt. Ein Leben ist lang, und sobald ein Hauch von einem Zweifel über Idee, Tätowierer oder Motiv besteht, sollte man eventuell noch mal eine Nacht darüber schlafen und nichts überstürzen."

Beim Tätowieren werden Farbpigmente mit Hilfe von Nadelstichen in die mittlere Hautschicht eingebracht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist auf mögliche Allergien und Entzündungen hin. Hinreichend erforscht sind die Risiken und Langzeitschäden nicht. Viele Tattoostudios und -verbände setzen auf Aufklärung. Die Tattoo-Box Erlenbach bietet im Netz eine Orientierung für Neulinge. Ein Tattoo sei kein "Designerpullover". Wenn man es an eine Stelle setze, die nicht durch Kleider verdeckt wird, könne es zur Belastung werden. Man müsse sich klarmachen, dass dauerhafte Sonneneinstrahlung Tattoos verändere.

Auch einige Methoden der Tattooentfernung sind umstritten, so wie das Abschleifen der Haut. Vor einer Behandlung mit Milchsäure warnen die Ärzteverbände . Lasern gilt aber als erfolgversprechend. Bei ordnungsgemäßer Durchführung seien die Risiken gering. Auch lasse sich jede Körperstelle gleichermaßen behandeln. Wolfgang Bäumler, Medizinphysiker der Uniklinik Regensburg, erklärt: "Es gibt seit vielen Jahren die Methode, mit sehr kurzen und intensiven Lichtimpulsen von Lasern die Tattoopartikel in der Haut aufzuheizen und zu zersprengen. In der Folge werden sie aus der Haut abtransportiert, das Tattoo wird heller oder verschwindet sogar. Es gibt neuere Entwicklungen mit noch kürzeren Lichtimpulsen, eine eventuell bessere Effektivität muss sich aber erst zeigen." Klaus Hoffmann ist derweil überzeugt, dass die modernen Picosekundenlaser halten, was sie versprechen: "Damit lassen sich alle Farben behandeln."

Problematisch ist nach Ansicht der Mediziner, dass auch Laien wie Kosmetikstudios oder Tätowierer Laser-Behandlungen durchführen dürfen. Doch die Nachfrage ist da. So hat sich die Kette "Tattoolos" bundesweit auf Entfernungen spezialisiert. Geschäftsführer Markus Lühr: "70 Prozent unserer Kunden sind Frauen zwischen 25 und 40 Jahren." Acht bis zwölf Sitzungen seien für ein Tattoo nötig. Die Kosten, die je nach Anbieter variieren und mehrere tausend Euro betragen können, übernimmt die Krankenkasse nicht.

Mediziner wie Klaus Hoffmann machen sich in Sachen Laserbehandlung für eine eindeutigere Rechtslage stark. Hoffmann: "Derzeit darf man quasi alles benutzen und schlimmer: Jeder ohne jede Ausbildung darf es." Er weist auch darauf hin, dass manche Kosmetik- oder Tattoostudios keine Versicherung gegen Haftpflichtfälle besäßen - ein Arzt sei dazu gezwungen. Wolfgang Bäumler teilt die Ansicht: "Lasertherapie ist nichts für medizinische Laien, man kann ohne das nötige Fachwissen sehr viel Schaden anrichten."

Diplom-Physiker Holger May vom Laser-Forum Essen meint dazu: "Anwendungsberechtigte Personen sind Ärzte und Zahnärzte sowie andere zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde zugelassene Personen, also im Wesentlichen Heilpraktiker. Eine weiterreichende Eingrenzung auf ‚nur Dermatologen ' ist unseres Erachtens unnötig." So muss der Kunde selbst einschätzen, in welche Hände er sich begibt. Ein Tattoo sollte man im Winter weglasern lassen. "Man sollte zum Zeitpunkt der Therapie so blass wie möglich sein", erklärt Bäumler, "da das normale Hautpigment Melanin sich oberhalb der Tätowierungspartikel befindet. Damit kann das Laserlicht nur abgeschwächt in die Dermis, den Ort der Tätowierungspartikel, eindringen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort