Kaputte Füße schon von Kindesbeinen an?

Nur ausreichende körperliche Bewegung lässt die Füße gesund wachsen. Eine regelmäßige Kontrolle ist wichtig.

 Säuglinge und Kleinkinder haben stets „Plattfüße“. An den Sohlen sind noch keine Fußwölbungen zu sehen. Dafür sind in die Fußsohlen eingelagerte Fettkissen verantwortlich, die die noch knorpeligen und daher sehr empfindlichen Fußknöchelchen schützen. Fotos: Ulrich Brenner, Markus Biewer (3), Uni Göteborg

Säuglinge und Kleinkinder haben stets „Plattfüße“. An den Sohlen sind noch keine Fußwölbungen zu sehen. Dafür sind in die Fußsohlen eingelagerte Fettkissen verantwortlich, die die noch knorpeligen und daher sehr empfindlichen Fußknöchelchen schützen. Fotos: Ulrich Brenner, Markus Biewer (3), Uni Göteborg

Zwischen 1500 und 10 000 Schritte am Tag tragen uns unsere Füße. Eine beachtliche Leistung, wenn man sich die sehr filigrane Konstruktion aus 26 Knochen genau betrachtet. Die Entwicklung des kindlichen Fußes läuft jedoch nicht immer nach Plan.

Im Lauf der Evolution hat sich aus den Greiffüßen unserer Vorfahren der menschliche Fuß entwickelt. Das erklärt, warum die Zahl und Lage der Fußknochen denen der Hand genau entsprechen. Weil sich die Aufgabe des Fußes vom Greiforgan beim Affen zum Lauf- und Standfuß beim Menschen verändert hat, hat sich auch das Zusammenspiel der Knochen, Sehnen und Muskeln geändert.

Augenscheinlich erleben dies frischgebackene Eltern, die die Entwicklung ihres Säuglings genau beobachten. Dessen Füßchen sind noch sehr beweglich und greifen bei Berührung reflexartig zu. Wie kaum ein anderer Körperteil ändert sich der Kinderfuß in seinem Aussehen von Jahr zu Jahr. Das ist ein Grund, warum Eltern häufig so besorgt sind, ob die Entwicklung altersgerecht verläuft.

Der Säugling hat stets einen "Plattfuß", bei dem keine Fußwölbungen an der Sohle zu sehen sind. Dafür sind Fettkissen verantwortlich, die - in die Fußsohle eingelagert - die noch knorpeligen und daher sehr empfindlichen Fußknöchelchen schützen. Wenn das Kleinkind die ersten Schritte wagt, sorgen sich Eltern regelmäßig, ob es sich bei dem Plattfuß nicht schon um eine Fußfehlstellung handeln könnte. "In der Regel ist diese Angst unbegründet", erklärt Professor Dr. Stefan Grau, Sportmediziner an der Universität Göteborg in Schweden. Er hat während seiner früheren Tätigkeit an der Universität Tübingen die Entwicklung der Füße bei 3114 Kindern und Jugendlichen zwischen zwei und 14 Jahren verfolgt und kann beruhigen: "Die Fußgewölbe bilden sich erst mit zunehmendem Alter aus."

Durch Verlagerung der Fußknochen und die Zunahme der Kraft einzelner Fußmuskeln entsteht an der Fußinnenseite das sogenannte innere Längsgewölbe. Im Stehen ist dies beim Kind gut zu sehen, mit der Hand kann man an dieser Stelle ein Stück unter die Fußsohle fahren. Nicht ganz so gut lässt sich das Quergewölbe ertasten, eine leichte Krümmung, die zwischen den Ballen des großen und kleinen Zehs entsteht. Erst im Alter der Einschulung sind diese Gewölbestrukturen gut zu sehen. Und erst ab einem Alter von zwölf bis 14 Jahren sind sie endgültig ausgeprägt. Auch wenn mit der Einschulung der Fuß noch stark nach innen knickt, ist keine Panik angebracht. Wenn sich das Kind auf den Vorfuß stellt, sollten Eltern den inneren Fußrand beobachten. Meistens können sie dann feststellen, dass sich auch bei einem vermeintlich platten Fuß die innere Fußwölbung plötzlich deutlich zeigt. Dann hat die Muskulatur genug Kraft ausgeübt, um das Längsgewölbe aufzurichten.

Wenn der Fuß aber auch im Zehenstand weiterhin platt bleibt, ist eine Überprüfung durch den Kinderarzt sinnvoll.

Die individuell charakteristische Fußform scheint sich schon im Alter von sechs Jahren abzuzeichnen. Das hat die "Kidfoot"-Studie an der Uniklinik Münster ergeben. Das Team um Professor Dr. Dieter Rosenbaum hat dazu 100 Kinder über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt jeweils 17 Mal untersucht, um die Entwicklung ihrer Füße zu studieren. Ein "Auswachsen" von Fußproblemen sei nach der Einschulung eher unwahrscheinlich, konstatieren die Mediziner. Damit widersprechen sie der landläufigen Meinung vieler Ärzte, die auf ein Abwarten setzen.

"Das wächst sich schon aus" ist also ein trügerisches Motto, denn spontane Veränderungen einer kindlichen Fußfehlstellung sind nach den Erkenntnissen der Experten der Uni Münster eher unwahrscheinlich. "Auffällige Fußdeformitäten, die ab einem Alter von sechs Jahren diagnostiziert werden, sollten aktiv angegangen werden", sagt Dieter Rosenbaum.

Dazu zählt dann auch Fußgymnastik, um die aktive Stabilisierung des Fußes zu verbessern, in ausgeprägten Fällen zusätzlich eine orthopädische Kindereinlage.

Die Tübinger Mediziner um Professor Stefan Grau haben festgestellt, dass Kinderfüße bis zum Pubertätsalter recht gleichmäßig, ohne große Sprünge wachsen. Hingegen haben viele Eltern den Eindruck, dass ihre Teenager im wahrsten Sinne des Wortes auf "großem Fuß leben". Diese Wahrnehmung täuscht aber. Da die Füße der Kinder und Jugendlichen in der Regel schon im Pubertätsalter ausgewachsen sind, erscheinen sie im Verhältnis zum restlichen Körper kurz vor dem Jugendalter häufig zu groß. Bei Mädchen sind die Füße im statistischen Mittel bereits im Alter von 13 Jahren ausgewachsen, bei Jungen etwa mit 15 Jahren. Der Körper hingegen wächst in der Regel jeweils noch drei weitere Jahre. Dies erklärt auch, warum die Gewölbestrukturen des Fußes erst im Teenageralter völlig aufgerichtet sind. Dennoch sollte der Kinder- und Jugendarzt oder der Orthopäde einen regelmäßigen prüfenden Blick auf die Entwicklung der Füße werfen, denn es können sich schon im frühen Kindesalter Fehlentwicklungen abzeichnen, die behandelt werden sollten.

Unsere Knochen wachsen in bestimmten Zonen, die man bei Röhrenknochen als Wachstumsfugen bezeichnet. Die eher rundlichen Knochen des Mittelfußes und Rückfußes wachsen zum Teil sehr großflächig, indem der Körper rundum Knochenmaterial neu bildet. Damit das Wachstum gesteuert und zielgerichtet verläuft, ist eine bestimmte Druckverteilung auf einzelne Knochenregionen nötig.

Unbelastete Knochen würden ebenso fehlerhaft wachsen wie einseitig zu stark belastete. Zum einen müssen sich die Knochen so ausbilden, dass der Fuß das Körpergewicht - und bei Sprüngen ein Mehrfaches davon - gut tragen kann. Zum anderen setzt die Kraft, die das Körpergewicht auf die Wachstumsbereiche der Knochen ausübt, einen entsprechenden Reiz, der das Wachstum steuert. Es ist daher wichtig, dass sich Kinder ausreichend bewegen, um solche Wachstumsreize zu fördern.

Offensichtliche Fehlstellungen der Füße sollten weniger aus kosmetischen Gründen behandelt werden, sondern weil sie zu falschen Wachstumsreizen führen. Oft geschieht dies mit orthopädischen Einlagen, die die Kinder ein paar Monate tragen müssen. Diese korrigieren die Knochenstellung des Fußes und sorgen dafür, dass die Wachstumsreize auf die richtigen Stellen einwirken. Gleichzeitig sollten Eltern mit ihren Sprösslingen dann die Fuß- und Wadenmuskulatur spielerisch trainieren. Auch dadurch werden die Fußknochen zum richtigen Wachstum angeregt.

 Nicht bei allen Kindern sind die Füße bei der Einschulung bereits normal entwickelt (Foto links). Bei einigen sind die Füße noch stark nach innen geknickt (Mitte). Das ist kein Grund zur Panik. Wenn sich das Kind auf den Vorfuß stellt, sollte am inneren Fußrand auch bei einem vermeintlich platten Fuß die innere Fußwölbung deutlich zu sehen sein (rechts). Dann hat die Muskulatur genug Kraft, das Längsgewölbe aufzurichten. Der Test ist ab drei Jahren sinnvoll.

Nicht bei allen Kindern sind die Füße bei der Einschulung bereits normal entwickelt (Foto links). Bei einigen sind die Füße noch stark nach innen geknickt (Mitte). Das ist kein Grund zur Panik. Wenn sich das Kind auf den Vorfuß stellt, sollte am inneren Fußrand auch bei einem vermeintlich platten Fuß die innere Fußwölbung deutlich zu sehen sein (rechts). Dann hat die Muskulatur genug Kraft, das Längsgewölbe aufzurichten. Der Test ist ab drei Jahren sinnvoll.

Der Autor dieses Beitrags, Dr. Oliver Ludwig, ist der wissenschaftliche Leiter der Aktion Kid-Check an der Universität des Saarlandes.

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