In 60 Sekunden fit mit kurzen extremen Sprints

Saarbrücken · Als häufigster Grund, mal wieder aufs Training zu verzichten, wird Zeitmangel genannt. Doch ein hochintensives Training (HIT) verbessert bei geringem Zeitaufwand die Ausdauer deutlich. Ein einseitiges HIT ist dennoch nicht zu empfehlen.

 Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass drei intensive Sprints auf dem Fahrradergometer von jeweils 20 Sekunden Dauer den gleichen Trainingseffekt haben wie 45 Minuten normales Ausdauertraining. Foto: Fotolia

Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass drei intensive Sprints auf dem Fahrradergometer von jeweils 20 Sekunden Dauer den gleichen Trainingseffekt haben wie 45 Minuten normales Ausdauertraining. Foto: Fotolia

Foto: Fotolia

Drei maximale Sprints über jeweils 20 Sekunden haben genau den gleichen Trainingseffekt wie ein herkömmliches moderates Ausdauertraining, das 45 Minuten dauert. Die Herz-Kreislauf-Fitness steigt, die Muskulatur wird leistungsfähiger und die Glukose- und Insulinwerte verbessern sich. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis sind Forscher der McMaster-Universität im kanadischen Hamilton gekommen.

Das Team hat erstmals untersucht, wie sich ein sehr kurzes hochintensives Intervalltraining (HIT) auf die Ausdauer auswirkt. An der Studie über zwölf Wochen nahmen 25 untrainierte, leicht übergewichtige, aber gesunde Männer im Alter zwischen 19 und 35 Jahren teil. Neun von ihnen absolvierten dreimal pro Woche eine extreme Variante des HIT, ein sogenanntes Sprint-Intervall-Training (SIT) auf dem Fahrradergometer. Es dauerte pro Trainingseinheit nur zehn Minuten: zwei Minuten Aufwärmen auf dem Standfahrrad, drei maximale Sprints auf dem Rad mit höchster Herzfrequenz über jeweils 20 Sekunden, dazwischen jeweils zwei Minuten leichtes Radfahren zur Erholung und zum Abschluss drei Minuten leichtes Treten zum Abkühlen.

In der zweiten Gruppe führten zehn Männer ein herkömmliches Ausdauertraining durch: zwei Minuten Aufwärmen auf dem Fahrradergometer, dann 45 Minuten Strampeln mit etwa 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz und zum Schluss leichtes Radeln zum Abkühlen. Die verbliebenen sechs Männer wurden der sogenannten Kontrollgruppe zugeteilt. Sie mussten gar nicht trainieren.

Bei beiden Trainingsgruppen ermittelten die Wissenschaftler beim Abschlusstest eine im Durchschnitt um 19 Prozent angestiegene maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max). Je höher die maximale Sauerstoffaufnahme liegt, desto besser ist es um die Ausdauer bestellt. Bei untrainierten jüngeren Frauen und Männern beträgt die maximale Sauerstoffaufnahme durchschnittlich 35 bis 45 Milliliter pro Minute und Kilogramm Körpergewicht. In der Studie verbesserte sich die SIT-Gruppe von durchschnittlich 32 auf 38 Milliliter, die Ausdauertrainingsgruppe von 34 auf 40 Milliliter.

Die beteiligten Ärzte überprüften auch, wie sich das Training beider Gruppen auf den Blutzucker und den Insulinspiegel im Blut auswirkte. Die Teilnehmer hatten zu Beginn der Studie etwas hohe, aber noch keine krankhaften Insulinwerte und normale Blutzuckerwerte (Glukosewerte). Es gilt jedoch als Warnsignal, wenn immer mehr Insulin erforderlich ist, um den Glukosewert normal zu halten. Sowohl das SIT als auch das normale Ausdauertraining verbesserten die Zuckerverbrennung in den Muskelzellen, wodurch der Insulinspiegel sank. In der Kontrollgruppe, die kein Training absolvierte, stieg der Insulinspiegel im Zeitraum der Studie sogar ein bisschen an, während der Glukosespiegel gleich blieb.

Beide Trainingsmethoden kurbelten die Energieproduktion in den Muskelzellen in gleichem Maße an. Die Mitochondrien , die Kraftwerke zur Energieerzeugung in den Zellen, wurden leistungsfähiger. Offenbar sind die Mitochondrien größer geworden, und als Reaktion auf den Trainingsreiz haben sich sogar neue Kraftwerke gebildet. Mitochondrien erzeugen Energie immer aerob: Vorwiegend Kohlenhydrate und Fette werden unter Zufuhr von Sauerstoff (aerob) verbrannt.

Beim extrem kurzen höchstintensiven Sprint-Intervall-Training ist die körperliche Belastung allerdings so hoch, dass nicht mehr genug Sauerstoff in die aktive Muskulatur transportiert werden kann. Daher wird Energie vermehrt ohne Sauerstoff (anaerob) produziert - und zwar nicht mehr in den Mitochondrien , sondern im Zellplasma. Eine erstaunliche Erkenntnis der kanadischen Studie lautet: Das anaerobe SIT verbessert nachweislich die aerobe Leistungsfähigkeit. Das gilt allerdings auch für jede andere Spielart des HIT.

Um gesundheitliche Vorteile zu erzielen und vor chronischen Krankheiten und einem vorzeitigen Tod zu schützen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pro Woche 150 Minuten gemäßigte sportliche Aktivität und Bewegung oder 75 Minuten intensiveres Training. Das häufigste Argument, warum dieses Pensum nicht erreicht wird, lautet Zeitmangel.

Ist SIT die Lösung? Dieses Training, die bisher extremste Version eines hochintensiven Intervallausdauertrainings, die wissenschaftlich untersucht wurde, erfordert schließlich nur einen sehr geringen Zeitaufwand.

HIT wird bereits seit etwa 15 Jahren in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht. Bei einem herkömmlichen Ausdauertraining absolvieren die Sportler beispielsweise 45 bis 60 Minuten lang einen Dauerlauf in moderatem Tempo mit 65 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Beim HIT hingegen sind die Belastungen immer kurz und intensiv. Die Bandbreite dieser Trainingsform ist allerdings groß. "Sie reicht von vier bis fünf Belastungen von jeweils vier bis fünf Minuten Dauer mit jeweils drei bis vier Minuten Pausen bis hin zu den dreimal 20 Sekunden in der jetzt veröffentlichten kanadischen Studie", erläutert der Saarbrücker Sportmediziner Professor Dr. Wilfried Kindermann. "Die Herzfrequenz liegt bei 85 bis 95 Prozent oder ist maximal. Bei sehr kurzen Belastungen ist die Leistung supramaximal, liegt also deutlich oberhalb der VO2max."

Die HIT-Studien belegen, dass diese Trainingsmethode die körperliche Leistungsfähigkeit sehr schnell verbessert. "Aber die Erfahrung aus dem Leistungssport zeigt, dass die Leistung mit einem ausschließlichen hochintensiven Training nicht über längere Zeit stabil gehalten werden kann", sagt Kindermann. Er merkt zudem an, dass es noch keine Langzeitstudien zum hochintensiven Intervalltraining gibt. "Es ist also nicht klar, wie ein dauerhaftes, ausschließliches HIT sich langfristig auf den Organismus auswirkt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort