Beauty Was es bringt, auf Shampoo zu verzichten

München · An die Haare nur Wasser und Bürste zu lassen, ist ein neuer Trend. Hautärzte sehen ihn eher kritisch.

 Wer seine Haare nur mit Wasser wäscht, muss sie regelmäßig bürsten, um den Talg bis in die Spitzen zu verteilen.

Wer seine Haare nur mit Wasser wäscht, muss sie regelmäßig bürsten, um den Talg bis in die Spitzen zu verteilen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/FotoDuets

Vanessa Schneider hat es ausprobiert: Sechs Wochen lang verzichtete die Journalistin für das Jugendmagazin Puls auf herkömmliche Kosmetikprodukte, wusch ihre Haare nur noch mit Wasser. In den ersten Tagen klappte das noch ganz gut, aber ab Tag acht, so berichtet sie, fühlte sich ihr Kopf einfach nur noch fettig und strähnig an. Sie habe sogar den Eindruck gehabt, dass er etwas müffele. Da half auch kein Bürsten.

Für den Münchner Hautarzt Christoph Liebich, der das Projekt mitbetreute, ist die Sache klar: „Das Fett wird durch den Verzicht auf Shampoo nicht weniger. Wie viel wir davon produzieren, ist genetisch und hormonell bedingt. Da hilft Wasser zum Säubern alleine nicht weiter.“

Trotzdem findet die sogenannte No-Poo-Methode, also der Verzicht auf Shampoos und Kosmetikprodukte fürs Haar, zunehmend Fans. Zu ihnen zähl Ute Lachner aus Aub in Unterfranken. Seit etwa einem Jahr wäscht sie ihre Haare nur noch mit Wasser. Sie ist von ihrer Radikalkur begeistert. Mehr Volumen hätten ihre Haare seitdem, auch mehr Glanz und sie seien griffiger.

 Mit ihrer Kollegin Leila Ghamin hat Ute Lachner das Online-Portal Haarweisheiten gegründet. Sie wollen Menschen beim Umstieg vom Shampoo auf No Poo begleiten, denn der Weg dorthin sei nicht ganz einfach: „Es gibt immer wieder kleine Hürden, aber alles überwindbar.“ Wer sich für die Methode entscheidet, brauche neben Wasser zunächst eine gute Bürste, am besten eine aus Wildschweinborsten. „Die ist nötig, um den Talg von der Kopfhaut bis in die Spitzen zu verteilen und die Haare mechanisch zu reinigen. Das Bürsten ist das ‚neue Waschen’ und gleichzeitig verwöhnt man sich mit einer Kopfmassage. Außerdem ist es ganz wichtig, ausgiebig zu spülen, also die Haare mit Wasser zu waschen.“

Dahinter steckt bei den beiden Gründerinnen nicht nur der Wunsch nach mehr Natürlichkeit, sondern auch nach mehr Minimalismus im Bad, wie Ute Lachner erzählt. Denn durch die No-Poo-Methode entfallen sämtliche Pflege- und Stylingprodukte.

Der pflegliche Umgang mit den Haaren sei dennoch unabdingbar. „Es gibt im Internet viele Anleitungen zu No Poo. Oft fehlen aber wichtige Details oder sind sogar falsch.“ Weil sie von der Methode überzeugt ist und schon Familie und Freunde begeistern konnte, hat Ute Lachner mit ihrer Kollegin jetzt ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen. Sie wollen einen Online-Kurs entwickeln, der beim Umstieg unterstützt.

Wissenschaftliche Studien darüber, ob die Methode tatsächlich funktioniert, gibt es bislang nicht. Hautarzt Christian Raulin aus Karlsruhe sagt: „Wenn jemand das möchte, warum nicht. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Haare durch alleiniges Waschen mit Wasser eher austrocknen.“ Zudem ist der Dermatologe der Meinung, dass sich die Kosmetikindustrie heute schon sehr um Umweltbelange kümmert und ein genereller Verzicht nicht notwendig ist.

Dem stimmt Dermatologe Christoph Liebich zu: „Wir haben für Kosmetikprodukte ja auch Umweltstandards und Verordnungen, was die Inhaltsstoffe betrifft.“ Insofern bleibe No Poo eine Glaubensfrage, die er allerdings aus medizinischer Sicht nicht per se unterstütze. Bei Menschen mit stark fettendem Haar könnten sich sogar Entzündungen bilden, wenn der Talg auf dem Kopf verbleibe.

Journalistin Vanessa Schneider hat ihren Selbstversuch, den sie für das Jugendmagazin des Bayrischen Rundfunks durchgeführt hat, übrigens nicht durchgehalten. Nach 19 Tagen griff sie zu einem Gemisch aus Lavaerde und Wasser, um ihre Haare natürlich zu reinigen. Quasi eine No-Poo-Light-Variante. Bei der will sie künftig auch bleiben.

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