Gehpult statt Stehpult bewahrt vor Übergewicht

St Augustin · Fahrradergometer und Laufbänder im Büro „können prinzipiell einen Beitrag zur Gesundheitsförderung der Beschäftigten leisten“, erklären Wissenschaftler nach einer aufwendigen Studie. Doch solche Geräte werden kaum genutzt.

 Ein Stehpult in Kombination mit einem Laufband ist eine zweite Möglichkeit, einen dynamischen Büroarbeitsplatz einzurichten. Foto: DGUV

Ein Stehpult in Kombination mit einem Laufband ist eine zweite Möglichkeit, einen dynamischen Büroarbeitsplatz einzurichten. Foto: DGUV

Foto: DGUV

(ml) Die Studie des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in St. Augustin zu "dynamischen Büroarbeitsplätzen" mit Sitzergometer unterm Schreibtisch und Laufband am Stehpult kommt zu folgenden Ergebnissen:

Körperhaltung: Die Körperhaltungen der "Sportler" veränderten sich gegenüber denen der "Nicht-Sportler" kaum. Am Schreibtisch mit Sitzergometer blieben Kopf und Schultern in der Position, die auch am herkömmlichen Schreibtisch üblich ist: Becken gekippt, Kopf und Schultern vorgebeugt. Auch am Stehpult mit Laufband und am normalen Stehpult blieben die Körperhaltungen fast gleich.

Rückenmuskulatur: Mithilfe von Mess-Elektroden, die auf die Haut geklebt wurden, überprüften die Wissenschaftler bei den Versuchspersonen, wie sich die sportliche Betätigung am Schreibtisch auf die Rückenmuskulatur auswirkte. Beim Radfahren passierte nichts, auf dem Laufband war die Rückenmuskulatur nur ein wenig aktiver als im Stehen.

Körperliche Aktivität: Auch wenn keine erhöhte Muskelaktivität nachweisbar war, stellten die Forscher an den dynamischen Arbeitsplätzen einen deutlichen Anstieg der körperlichen Aktivität fest. "Das haben wir mithilfe von Beschleunigungssensoren gemessen", erläutert Professor Dr. Rolf Peter Ellegast, der Leiter der Studie. Dazu wurden insgesamt zwölf Sensoren am Körper befestigt: an den Ober- und Unterschenkeln, am Rücken, an den Unter- und Oberarmen sowie am Kopf. Es zeigte sich, dass der Körper an den dynamischen Arbeitsplätzen viel stärker bewegt wird als an den herkömmlichen. Das Gehen auf dem Band führte zum Beispiel dazu, dass Arm und Hand aktiver waren, um die kleinen Erschütterungen, die bei jedem Schritt den Körper durchliefen, auszugleichen. Im Vergleich zum normalen Sitzen am Schreibtisch führte das schnellere Gehen am Laufbandarbeitsplatz zu einer bis zu 17-fachen Erhöhung der körperlichen Aktivität. Auch auf dem Sitzergometer erhöhte sich die körperliche Aktivität, wenn auch nicht ganz so stark wie auf dem Laufband. Allerdings konnten die Forscher nur anhand dieser höheren körperlichen Aktivität nicht erkennen, ob dynamische Arbeitsplätze den Organismus trainieren.

Diesen Beweis erbrachten die Experten aber mit ihren Messungen der Herzfrequenz und des Energieumsatzes, das heißt des Kalorienverbrauchs.

Herzfrequenz: Nach einer Empfehlung des Verbands der amerikanischen Sportmediziner sollte man täglich mindestens 30 Minuten lang mit gemäßigter Intensität ein Herz-Kreislauf-Training absolvieren: zum Beispiel Gehen, Radfahren, Nordic Walking, Laufen, Schwimmen. Dabei sollen 40 bis 60 Prozent der sogenannten Herzfrequenzreserve erreicht werden. Die Herzfrequenzreserve errechnet sich aus dem Unterschied zwischen dem Ruhepuls und der maximalen Herzfrequenz. Die Messungen an den dynamischen Arbeitsplätzen ergaben zwar, dass keiner der Teilnehmer weder auf dem Sitzergometer noch auf dem Laufband mehr als 30 Prozent seiner Herzfrequenzreserve erreichte. Zu wenig also, um die Empfehlung der amerikanischen Sportmediziner erfüllen zu können.

"Doch jede Art der physischen Aktivität hat einen gesundheitlichen Nutzen", betont Rolf Peter Ellegast. "Körperliche Aktivität hat auch bei geringer Intensität einen Nutzen für die Herz-Kreislauf-Fitness. Das gilt für gesunde Menschen und solche mit kardiovaskulären Problemen." Das bestätigt eine große Metastudie (Überblicksstudie), die Forscher der Universitäten Wien, Bern und Bristol vorgelegt haben. Die Sportmediziner hatten 80 hochrangige Studien aus aller Welt zum Thema Fitness durchforstet. Das klare Ergebnis: "Jede körperliche Aktivität ist besser als keine. Selbst geringe körperliche Aktivität nutzt der Gesundheit."

Kalorienverbrauch: Dynamische Arbeitsstationen steigern gegenüber herkömmlichen Büroarbeitsplätzen den Energieumsatz und somit den Kalorienverbrauch. Im Durchschnitt verbraucht ein Schreibtischtäter jede Stunde pro Kilogramm Körpergewicht rund 1,5 Kalorien - wissenschaftlich exakt müsste man von Kilokalorien reden. Am Schreibtisch mit Sitzergometer steigt der Kalorienverbrauch bei etwas intensiverem Strampeln bis auf 3,1 Kalorien. Das erscheint nicht viel, denn bei einem intensiveren sportlichen Training verbrennt man in 30 Minuten etwa 300 Kalorien. Ein optimales Gesundheitstraining muss mit einem zusätzlichen Verbrauch von mindestens 2000 Kalorien pro Woche einhergehen. Das verhindert bei den meisten Erwachsenen auch eine ungesunde Gewichtszunahme.

"Über einen längeren Zeitraum gesehen, steigern jedoch auch geringe körperliche Aktivitäten die Fitness , wenn sie regelmäßig erfolgen", sagt Rolf Ellegast.

Bürosport: Um den empfohlenen Wert von 2000 zusätzlich verbrannten Kalorien pro Woche zu erreichen, müsste eine 70 Kilogramm schwere Person den Laufbandarbeitsplatz mit geringer Intensität für drei Stunden pro Tag fünfmal die Woche verwenden oder den Sitzergometerarbeitsplatz mit hoher Intensität für 1,8 Stunden. Positive Auswirkungen auf Gesundheit und körperliche Fitness hat allerdings schon ein geringerer körperlicher Einsatz am Schreibtisch: Das Laufband müsste mit niedriger Intensität für 1,9 Stunden pro Tag, der Sitzergometer mit höherer Intensität für 1,1 Stunden pro Tag benutzt werden.

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