Fragwürdige Empfehlungen zum Salzverzehr

Saarbrücken · Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt klare Empfehlungen, wie viel Salz Frauen und Männer täglich zu sich nehmen sollten. Doch diese scheinbare Klarheit ist anfechtbar, denn eine zweifelsfreie wissenschaftliche Grundlage fehlt noch immer.

 Menschen mit normalem Blutdruck müssen einigen Forschern zufolge nicht auf den Salzgehalt ihrer Nahrung achten. Foto: Gambarini/dpa

Menschen mit normalem Blutdruck müssen einigen Forschern zufolge nicht auf den Salzgehalt ihrer Nahrung achten. Foto: Gambarini/dpa

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(ug) Im Frühjahr 2016 hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Ernährungsempfehlungen für die hiesige Bevölkerung ausspricht, eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Salzproblematik herausgegeben. Darin werden zunächst die aktuellen Daten zur Menge des täglich konsumierten Salzes dargelegt, die der repräsentativen "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" des Robert-Koch-Instituts entstammen.

Danach liegt der mittlere Wert der Salzzufuhr erwachsener Frauen bei 8,4 Gramm täglich, jener der Männer bei zehn Gramm. Die Angabe des mittleren Wertes bedeutet jedoch, dass 50 Prozent der Untersuchten mehr verzehren und ebenso viele weniger. Die Gesundheitsstudie ergab zudem, dass ein Viertel der Frauen weniger als 5,3 Gramm Salz zu sich nimmt, ein weiteres Viertel verspeist mehr als 12,5 Gramm täglich. Bei den Männern sind es 6,7 und 14,5 Gramm täglich. Diese exakt anmutenden Daten sind dennoch nur Schätzungen, denn sie wurden anhand der Natriumausscheidung im Urin der Teilnehmer ermittelt, der die Natriumzufuhr nicht hundertprozentig erfasst. Dann müssen die Natriumwerte noch in Salz umgerechnet werden, was eine weitere Fehlerquelle bedeutet.

Die Werte der Salzzufuhr aus der älteren Nationalen Verzehrstudie (NVS), die aus Befragungen stammen, liegen im Schnitt um drei Gramm niedriger. Doch auch sie sind ungenau, weil sich der Salzkonsum nur sehr schwer einschätzen lässt. Deswegen gibt es aktuell auch nur einen Orientierungswert für eine angemessene Kochsalzzufuhr. Nach Einschätzung der DGE liegt dieser bei sechs Gramm Salz beziehungsweise 2,4 Gramm Natrium täglich. Nach den Daten der Gesundheitsstudie würden 70 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer mehr Salz essen als es die DGE für richtig hält. Nach den Daten der NVS wären es jedoch vor allem die Männer, während der mittlere Salzkonsum der Frauen völlig in Ordnung wäre.

Diese Ungenauigkeiten sind bei Weitem nicht nur von akademischem Interesse. Denn aufgrund dieser Zahlen werden bevölkerungsweite Initiativen zur Verringerung des Salzkonsums begründet, werden Bäcker, Käsereien, Metzger und die Lebensmittelindustrie genötigt, ihre Produktion umzustellen. Mit diesen Zahlen wird auch gerechnet, wenn es darum geht, den Bluthochdruck zu vermeiden oder darum, wie viele Schlaganfälle oder Herzinfarkte sich wohl verhindern ließen, wenn die Salzzufuhr sinken würde. Und das, obwohl man auch hierzu keine wirklich harten Daten hat.

So schreibt die DGE in ihrer aktuellen Stellungnahme zum Thema Bluthochdruck, es gäbe zur Prävention "nur wenige Studien zu den Auswirkungen einer definierten Natrium- beziehungsweise Speisesalzzufuhr". Und zum Thema Gefäßschutz heißt es, "der direkte Effekt einer hohen Speisesalzzufuhr auf das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten" könne "bisher nicht eindeutig belegt werden".

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