Eiweißarme Ernährung verbessert Blutzuckerwerte

Eine proteinarme, das heißt eiweißarme Ernährung steigert offenbar die Verbrennung von Fett und Kohlenhydraten (Zucker ) im Körper. Nach der Umstellung auf eine eiweißreduzierte Ernährungsweise bilden sich sogar Insulinresistenzen zurück, unabhängig vom Köpergewicht und der Gesamtenergiezufuhr. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg mit Mäusen durchgeführt haben.

 Erstaunlicherweise kann eine Ernährung, die überwiegend auf Kohlenhydraten wie Nudeln, Brot und Gemüse basiert und dafür nur sehr wenig Eiweiß enthält, erhöhte Zucker- und Insulinspiegel im Blut senken. Das legt eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums nahe. Foto: Fotolia

Erstaunlicherweise kann eine Ernährung, die überwiegend auf Kohlenhydraten wie Nudeln, Brot und Gemüse basiert und dafür nur sehr wenig Eiweiß enthält, erhöhte Zucker- und Insulinspiegel im Blut senken. Das legt eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums nahe. Foto: Fotolia

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Doch auch bei jungen Männern, die sich freiwillig zur Verfügung stellten, senkte eine einwöchige proteinarme Ernährung die Insulin- und Blutzuckerspiegel. Der Effekt kommt zustande, weil die Leber durch die eiweißarme Ernährung gestresst wird und deswegen vermehrt Hormone produziert, die die Fett- und Zuckerverbrennung ankurbeln. Das bedeutet auch einen gesteigerten Energieverbrauch. Letztlich ergibt sich ein gesundheitsfördernder Effekt.

Starkes Übergewicht kann zu schweren gesundheitlichen Schäden führen, unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und vor allem Typ-2-Diabetes. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Hauptursachen für den weltweiten Anstieg des Körpergewichts veränderte Ernährungsgewohnheiten und mangelnde körperliche Aktivität sind. Am Deutschen Krebsforschungszentrum schauen sich die Experten die Zusammensetzung unserer Nahrung genauer an.

"Besonders was die Proteine betrifft, gibt es widersprüchliche Hinweise", sagt Studienleiter Dr. Adam Rose. "Einerseits kann man beobachten, dass Menschen bei proteinarmer Ernährung insgesamt mehr essen, um ihre erforderliche Eiweißdosis zu erreichen. Anderseits belegen Studien, dass ein hoher Eiweißanteil in der Ernährung mit einer hohen Diabetes-Rate einhergeht."

Um herauszufinden, wie sich eine proteinreduzierte Ernährung auf Ebene der Zellen auswirkt, setzten die Forscher Mäuse auf eine eiweißarme Diät. Der Eiweißanteil machte nur noch fünf Prozent der Gesamtkalorien gegenüber 20 Prozent im normalen Mäusefutter aus. Obwohl die Tiere insgesamt etwas mehr fraßen, nahmen sie langsamer an Gewicht zu als normal gefütterte Artgenossen.

Nahrung schlechter verwertet

Die Forscher ermittelten, dass die Tiere unter proteinarmer Ernährung ihr Futter um 40 Prozent weniger effizient verwerteten. Die Mäuse verbrannten deshalb mehr bereits im Körper gespeicherte Fette und Kohlenhydrate . Die Blutwerte verbesserten sich erheblich. Die Tiere hatten niedrigere Insulin-, Cholesterin- und Blutfettspiegel.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass im Körper der Mäuse die Konzentration eines Hormons namens FGF21 (Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21) angestiegen war. Forscher der Yale-Universität im US-Bundesstaat Connecticut hatten bereits nachgewiesen, dass FGF21 vermehrt in der Leber produziert wird, wenn dem Körper Kalorien nur noch beschränkt zur Verfügung stehen. FGF21 kurbelt dann die Verbrennung von gespeicherten Fetten und Kohlenhydraten an und verbessert die Empfindlichkeit der Zellen für Insulin.

Das Insulin ist ein Hormon (Botenstoff), das wie ein Schlüssel die Muskelzellen aufschließt, damit der im Blut gelöste Zucker als Energielieferant einströmen kann. Bewegungsmangel führt jedoch dazu, dass die Muskelzellen keinen Zucker brauchen und daher ihre Andockstellen für das Insulin einklappen. Der Zucker bleibt im Blut. Das kann auf Dauer zu Diabetes-Typ-2, der Zuckerkrankheit, führen.

Zudem kann FGF21 den Appetit auf Kohlenhydrate mindern, was Forschergruppen der Universitäten von Iowa (USA) und Kopenhagen unabhängig voneinander zeigen konnten.

Bei fettleibigen Mäusen, die die Heidelberger Wissenschaftler eiweißarm fütterten, änderte sich zwar nichts am Körpergewicht, doch auch ihre Blutzuckerwerte verbesserten sich deutlich und eine bereits bestehende Insulinresistenz bildete sich zurück.

Dass das FGF21 die entscheidende Rolle für den verbesserten Zuckerstoffwechsel spielt, bewiesen die Forscher an Mäusen, in deren Leberzellen das Gen fehlte, das den Bauplan für dieses Hormon liefert. Bei diesen Tieren wirkte sich die proteinarme Ernährung nicht günstig auf den Stoffwechsel aus. Bei Mäusen mit intakten FGF21-Genen jedoch stieg der FGF21-Spiegel nach proteinarmen Mahlzeiten steil an. Zwar futterten die Tiere etwas größere Mengen als sonst, aber sie verwerteten die Nahrung auch schlechter und legten weniger an Gewicht zu. Bekamen die Mäuse wieder ihre gewohnte Nahrung, sanken die Hormon-Werte im Blut innerhalb von Stunden auf das normale Maß.

Die bei den Mäusen beobachteten günstigen Effekte einer proteinarmen Nahrung kommen auch beim Menschen zum Tragen. Zusammen mit Kollegen der Universität Kopenhagen untersuchten die Heidelberger Forscher fünf junge Männer, die sich sieben Tage lang freiwillig proteinarm ernährten. Sie aßen dabei nur noch einen Anteil von neun statt üblicherweise 20 Prozent Eiweiß an der Gesamtnahrungsmenge, dafür 71 statt sonst 44 Prozent Kohlenhydrate (darunter vor allem Gemüse und Obst) und 20 statt der üblicherweise 36 Prozent Fett.

Für Empfehlungen noch zu früh

Die proteinarme Ernährung beinhaltete 51 Prozent Obst und Gemüse, 25 Prozent Brot und Pasta, 17 Prozent Säfte, Konserven und Gewürze, vier Prozent Süßigkeiten, ein Prozent Fleisch, ein Prozent Nüsse und Öle sowie ein Prozent Molkereiprodukte.

Bei der Abschlussuntersuchung maßen die Wissenschaftler bei den Teilnehmern ebenfalls hohe FGF21-Werte. Und trotz erhöhter Kohlenhydratzufuhr lagen die Blutzucker- und Insulinspiegel niedriger. Aufgrund dieser Ergebnisse wollen die Experten schon bald eine Studie mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern durchführen. Denn einen entgleisten Zuckerstoffwechsel durch eine proteinarme Ernährung wieder in den Griff zu bekommen, wäre eine einfache, kostengünstige Therapie.

Jedoch ist es zu früh, aus den Ergebnissen bereits konkrete Ernährungsempfehlungen abzuleiten. Es handelt sich um Grundlagenforschung, bei der nur einige wenige Auswirkungen einer eiweißarmen Ernährung untersucht wurden. Dass ein dauerhafter Verzicht auf Eiweiße - Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Nüsse, Hülsenfrüchte - krank machen kann, ist längst bekannt. Er kann beispielsweise zu Kalziummangel führen, womit Hormonstörungen, Nierenkrankheiten oder Osteoporose einhergehen.

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