Die Diagnosen werden immer genauer

Saarbrücken · Dr. Johannes Bruns (55) ist Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Unser Redakteur Rainer Neubert hat mit dem Facharzt für Chirurgie über das Thema Krebs und Diagnose sowie die Therapie von Tumorerkrankungen gesprochen.

Krebs ist eine Volkskrankheit. In jedem Jahr erkranken in Deutschland 500 000 Menschen neu. Dank der Fortschritte in der Medizin sind die Überlebenschancen deutlich gestiegen. Ist Krebs inzwischen heilbar?

Bruns: Bei manchen Krebsarten entwickeln wir uns in der Behandlung gut vorwärts, zum Teil richtig gut. Bei anderen treten wir aber noch immer auf der Stelle.

Nennen Sie bitte Beispiele dafür.

Bruns: Das Hodenkarzinom beim jungen Mann ist durch die Platintherapie im Prinzip heilbar. Auch bei Brust- und Darmkrebs hat sich viel getan. Dagegen ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs nach wie vor sehr schlecht zu behandeln. Wir haben keine vernünftigen Früherkennungsprogramme. Die Überlebensraten sind richtig schlecht. Es geht um Monate.

Und das, obwohl die Möglichkeiten der Früherkennung sich so rasant verbessert haben?

Bruns: Ja, leider. Aber glücklicherweise werden die diagnostischen Möglichkeiten insgesamt besser. Früher hat man sich ausschließlich die äußere Form der Krebszellen angeschaut. Heute kann man den genetischen Code der Zelle untersuchen und erhält wesentlich mehr Information zur Krebsart und dazu, wie gut sie behandelt werden kann. Wir differenzieren immer mehr. Letztlich geht es in der Krebstherapie um die Überlebenschancen, um die Anzahl von Monaten und Jahren, die der Patient durch eine Therapie gewinnt.

Wie hat sich das verändert?

Bruns: Bei einzelnen Krebsarten sprechen wir von mehreren Jahren des Überlebens. Beim Brustkrebs zum Beispiel kann man die Überlebensrate mittlerweile in Jahren rechnen. Auch beim Darmkrebs ist die durchschnittliche Überlebenschance in den letzten zehn Jahren von zwölf auf über 30 Monate gestiegen. Einzelne Patienten überleben vier, fünf oder sechs Jahre. Bei den Blutkrebsen ist eine bestimmte Tumorerkrankung inzwischen durch ein Medikament im Grunde heilbar. Beim Lungenkarzinom und beim Schwarzen Hautkrebs eröffnen die neuen Erkenntnisse sehr gute Chancen für ein längeres Überleben. Wir sprechen in den meisten Fällen aber eher von einer Chronifizierung und weniger von einer Heilung. Es geht um mehr Lebenszeit bei gleichzeitiger Lebensqualität.

Das Alter spielt bei Krebserkrankungen eine wichtige Rolle. Welchen Einfluss hat die demografische Entwicklung?

Bruns: Krebs geht auf einen Fehler im genetischen Code einer Zelle zurück, der bei der Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben wird. Je älter eine Zelle wird, desto häufiger hat sie sich geteilt und desto mehr Fehler häufen sich an. Insofern ist Krebs in der Regel eine Erkrankung des Alters und wird häufig erst relevant ab Mitte 50.

Was können Menschen tun, die den Verdacht haben, dass sie ein erhöhtes Risiko tragen?

Bruns: Denen kann ich nur sagen: Suchen Sie Menschen auf, die sich damit auskennen. Das muss nicht gleich der Arzt sein, oft ist die Hemmschwelle, eine Beratungsstelle aufzusuchen, geringer. Es gibt überall Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen zum Beispiel der Landeskrebsgesellschaften. Rheinland-Pfalz ist dabei mustergültig. Auch die bundesweit 14 familiären Brustkrebszentren helfen. So etwas sollte es auch für Darmkrebs , Eierstockkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Speiseröhrenkrebs geben.

Natürlich ist es am besten, erst gar nicht an Krebs zu erkranken. Was kann man dafür tun?

Bruns: Eine gesunde Lebensführung ist, so einfach das klingt, das Einzige, was die Medizin den Menschen raten kann. Dazu gehören ausreichend Bewegung und Sport zu treiben ebenso wie sich angemessen und vernünftig zu ernähren, nicht zu rauchen, wenig Alkohol zu trinken und den Kontakt zu Asbest zu vermeiden.

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