Diät für die Zellen: Nährstoffmangel hält unser Erbgut fit

Heidelberg · Um seine Lebensfähigkeit zu erhalten, bildet unser Körper ständig neues Gewebe. Dazu teilen sich Zellen fortwährend. Das Erbgut der Mutterzelle wird dabei auf die beiden neuen Tochterzellen übertragen. So entstehen frische, leistungsfähige Zellen.

 Ehe sich menschliche Zellen teilen, verdoppeln sie ihren Satz an Genen (blau). Aus der Mutterzelle werden zwei Tochterzellen. Fotos: MPI

Ehe sich menschliche Zellen teilen, verdoppeln sie ihren Satz an Genen (blau). Aus der Mutterzelle werden zwei Tochterzellen. Fotos: MPI

(ml) Zellen sind grundsätzlich dazu in der Lage, spontan auftretende Fehler in ihrer Erbinformation zu reparieren. Doch dieser Reparaturprozess läuft nicht immer einwandfrei. Das hat zur Folge, dass in manchen Fällen bei der Zellteilung beschädigtes Erbgut weitergegeben wird.

Forscher am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg konnten nun nachweisen, dass die Nährstoffversorgung der Zelle einen beträchtlichen Einfluss darauf hat, ob Fehler im Erbgut repariert werden.

Jede einzelne Zelle enthält einen kompletten Satz von Genen, die in der Lage wären, einen kompletten Körper aufzubauen. Da sich Zellen im menschlichen Körper jedoch spezialisieren - in Herzzellen, Leberzellen, Hautzellen oder Muskelzellen -, nutzen sie nur den Teil des Erbguts, der für ihre Funktion erforderlich ist. Die übrigen Gene sind abgeschaltet.

Um korrekt funktionierende Tochterzellen zu erhalten, muss das Erbgut bei jeder Zellteilung exakt kopiert werden. Durch äußere und innere Einwirkungen, wie mechanische Kräfte, Röntgen- oder Gammastrahlen, chemische Substanzen, Umweltgifte und UV-Strahlung, kann das Erbgut geschädigt werden. Um zu verhindern, dass defektes Erbgut an die Tochterzellen weitergegeben wird, haben Zellen einen Überwachungsmechanismus entwickelt, sogenannte Checkpoints, die Fehler erkennen und ihre Weitergabe verhindern.

Sind die Checkpoints aktiviert, läuft keine Zellteilung ab, sodass die Zelle mehr Zeit hat, das schadhafte Erbgut zu reparieren. "Bleiben Schäden im Erbgut der Zelle jedoch sehr lange bestehen, schaltet die Zelle die Checkpoints aus, ohne die Reparatur abzuwarten", berichten die Heidelberger Forscher. Dieser Prozess, der als Adaptation bezeichnet wird, scheint für die einzelne Zelle zunächst vorteilhaft zu sein, da er letztlich ein weiteres Wachstum erlaubt. "Für den gesamten Organismus ist die Adaptation jedoch oft gefährlich, da Zellen mit geschädigtem Erbgut zu Krankheiten bis hin zu Krebs führen können", erläutert Dr. Brian Luke, der Leiter der Forschungsgruppe. Seine Kollegen und er haben jetzt einen Weg gefunden, um zu verhindern, dass Zellen ihre Checkpoints abschalten. "Damit haben diese mehr Zeit zur Reparatur, zugleich wird die Weitergabe von fehlerhaftem Erbgut an Tochterzellen unterbunden", sagt Luke.

Die Forscher haben nachgewiesen, dass beschädigte Zellen, denen nur wenige Nährstoffe zur Verfügung stehen, nicht adaptieren. Sie stoppen ihr Wachstum, und ihre Checkpoints bleiben dauerhaft aktiv. Das heißt, Fasten hat einen direkten Einfluss auf die einzelnen Zellen im Körper.

Den gleichen Effekt bewirkt das Medikament Rapamycin, das den Stoffwechsel hemmt, wodurch ein Nährstoffmangel imitiert wird. "Zellen im nährstoffarmen Zustand waren langfristig deutlich lebensfähiger, wahrscheinlich weil sie vor der Zellteilung die Reparatur der Erbinformation abgewartet haben", sagt Doktorandin Julia Klermund.

"Das heißt nun aber auch, dass eine nährstoffreiche Umgebung die Zellen veranlasst, zu wachsen und sich zu teilen, selbst wenn sie dies nicht tun sollten, weil ihr Erbgut beschädigt ist", erläutert Brian Luke. "Dagegen stellt ein Nährstoffmangel offenbar sicher, dass Zellen eine Teilung erst dann ,riskieren‘, wenn alle Schäden behoben wurden".

Brian Luke und sein Team haben ihre Erkenntnisse an Hefezellen gewonnen. Hefezellen sind leichter zu handhaben als menschliche Zellen, beide sind jedoch nahe miteinander verwandt. Daher gehen die Heidelberger Wissenschaftler davon aus, dass ihre Ergebnisse für die Humanmedizin brauchbar sind. Es könnten sich zum Beispiel neue Ansätze für Verbesserungen in Krebstherapien ergeben.

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