Der Verfall im Alter gibt noch Rätsel auf

Mit zunehmendem Alter fällt es vielen Menschen immer schwerer, ein normales Körpergewicht zu halten. So sind Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) besonders in der Altersgruppe der über 50-Jährigen weit verbreitet.

Nach Daten des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland 61 Prozent der Frauen und 78 Prozent der Männer zwischen 50 und 59 Jahren übergewichtig. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen sind es 71 Prozent der Frauen und 84 Prozent der Männer. Und von den 70- bis 79-Jährigen sind 80 Prozent der Frauen und 83 Prozent der Männer zu dick.

Als die wesentlichen Ursachen hierfür nennen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke den Bewegungsmangel, der mit zunehmenden Alter immer gravierender wird, sowie die sehr kalorienreiche Ernährung mit viel Zucker und Fett. Noch ist nicht geklärt, warum sich der Energiebedarf und die Nährstoffaufnahme im Alter ändern. Experten des Potsdamer Instituts, die sich gezielt mit der Verdauung beschäftigen, haben die Rolle unserer Darmbakterien im Zusammenhang mit Übergewicht untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass eine Bakterienart namens Clostridium ramosum sich bei fettreicher Ernährung im menschlichen Darm besonders gut vermehrt. Diese Bakterien tragen dazu bei, dass unser Köper verstärkt Fett und Zucker aus dem Dünndarm aufnimmt. Das heißt, es gelangen vermehrt energiereiche Nährstoffe in den Organismus. "Das lässt die Fettpolster schneller wachsen", schreiben die Wissenschaftler. "Es ist daher anzunehmen, dass dieser Mechanismus zur Entstehung von Übergewicht beiträgt."

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Dickdarmkrebs zu den Krankheiten zählt, die mit Übergewicht einhergehen und vornehmlich im Alter auftreten. Bestimmte Stoffe im Blut, die sogenannten Biomarker, signalisieren jedoch frühzeitig, dass eine ernsthafte Erkrankung droht. Die Wissenschaftler aus Potsdam haben jüngst zusammen mit Kollegen des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch drei Biomarker gefunden, die auf Übergewicht und Dickdarmkrebs hinweisen. Möglicherweise lässt sich daraus ein einfacher Test entwickeln, mit dem Dickdarmkrebs früh entdeckt werden kann.

Geht Übergewicht mit Typ-2-Diabetes einher, besteht ein erhöhtes Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. Hohe Werte der Biomarker Interleukin-6 und C-reaktives Protein im Blut, die bei Entzündungen im Körper auftreten, deuten auf ein erhöhtes Leberkrebsrisiko hin. Davon betroffen sind vor allem Menschen in Westeuropa und den USA. Die Potsdamer Forscher schreiben dazu: "Dies spricht dafür, dass zumindest bei einem Teil der europäischen Bevölkerung übergewichtsbedingte Entzündungsreaktionen sowie ein zu hoher Insulinspiegel an der Entstehung von Leberkrebs beteiligt sein können."

Bei starkem Übergewicht schütten die Fettzellen ständig in großen Mengen Botenstoffe aus, die im Körper Entzündungen verursachen können. Das ist vor allem der Fall, wenn sich viel Fett im Bauchraum zwischen und in den inneren Organen angesammelt hat. Man spricht auch von Eingeweidefett. Eine dauerhafte Entzündung, selbst wenn sie nur leicht ist, kann zum Beispiel die Innenwände der Blutgefäße schädigen. Mit der Zeit bilden sich Ablagerungen und die Gefäße verstopfen. Schlimmstenfalls führen diese Botenstoffe - beispielsweise das Interleukin-6 - zu einem unkontrollierten Zellwachstum und somit zu Krebs.

Die Zellen und Gewebe im menschlichen Körper bestehen aus Proteinen (Eiweißen), die fortlaufend erneuert werden. Was aber passiert, wenn diese Protein-Bausteine geschädigt werden und sich dadurch verändern? Proteinschäden entstehen zum Beispiel durch freie Radikale. Das sind aggressive Sauerstoffverbindungen, die als Nebenprodukt unseres Zellstoffwechsels entstehen. Sie können die Proteine , aber auch unsere Gene schädigen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von oxidativem Stress . Auch ein krankhaft erhöhter Blutzucker oder Entzündungen können Proteinen Schaden zufügen. Der oxidative Stress gilt als Hauptursache für die Alterung des Körpers.

Seit vielen Jahren schon ist man der Meinung, dass zusätzlich eingenommene Antioxidantien, zum Beispiel die Vitamine C und E, dem oxidativen Stress entgegenwirken und den Alterungsprozess zumindest verlangsamen. Neueste Studien stellen diese Annahme jedoch in Frage. Offenbar sind zusätzlich verabreichte Antioxidantien doch nicht immer nützlich. Denn zumindest in Versuchen mit Mäusen konnte gezeigt werden, dass ein höherer Spiegel an freien Radikalen das Leben sogar verlängern kann. Es wird vermutet, dass der oxidative Stress den Reparaturmechanismus der Zellen ankurbeln und dadurch Schäden minimieren kann.

Seit September 2014 beschäftigt sich im Potsdamer Institut für Ernährung die neugegründete Abteilung Molekulare Toxikologie mit der Frage, wie Zellen und Gewebe im menschlichen Körper mit geschädigten beziehungsweise veränderten Proteinen umgehen. Dabei wird auch untersucht, wie die Ernährung diese Prozesse beeinflusst. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, welche Ernährung die Prozesse im Körper unterstützt, die zum Beispiel an der Reparatur der Zellen und Entgiftung der Gewebe beteiligt sind. Darüber weiß man bislang fast nichts.

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