Cholesterin: Eier und Butter sind gar nicht so böse

Saarbrücken · Immer mehr Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die generelle Empfehlung, auf gesättigte Fettsäuren, wie sie auch in Butter und Eiern enthalten sind, zu verzichten, nicht mehr haltbar ist. Das ist jedoch kein Appell zur Völlerei.

 Eine große Studie hat gezeigt, dass der Verzehr von Butter keinen Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronaren Herzkrankheiten und Schlaganfällen zur Folge hat. Das Diabetesrisiko sinkt anscheinend sogar mit zunehmendem Butterkonsum. Foto: dpa

Eine große Studie hat gezeigt, dass der Verzehr von Butter keinen Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronaren Herzkrankheiten und Schlaganfällen zur Folge hat. Das Diabetesrisiko sinkt anscheinend sogar mit zunehmendem Butterkonsum. Foto: dpa

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Ist die Butter zurück?" So ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung überschrieben, die im Juni 2016 in der Fachzeitschrift Plos One erschienen ist. Der renommierte Fettexperte Professor Dr. Dariush Mozaffarian von der Tufts-Universität in Boston, Kalifornien, und Mitarbeiter hatten dafür systematisch alle Studien zusammengetragen, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Butterverzehr und dem Risiko, Diabetes oder eine Herz- und Gefäßerkrankung zu bekommen, beschäftigten. Auch der Einfluss des Butterverzehrs auf die Sterblichkeit wurde in dieser Analyse ins Visier genommen.

Butter ist reich an gesättigten Fettsäuren , von denen einige den Cholesterinspiegel im Blut erhöhen können. Lange glaubte man, gesättigte Fettsäuren und das Cholesterin aus der Nahrung würden die Adern verstopfen und verkalken lassen und so zu Herz- und Hirninfarkten führen. Daher empfahlen Ernährungs- und Herzgesellschaften, Lebensmittel, die reich an Cholesterin oder gesättigten Fettsäuren sind, weitgehend zu meiden, um sich vor diesen Krankheiten zu schützen. Butter ist reich an beidem und stand daher lange auf dem Index.

Kritisiert werden diese Empfehlungen, seit es sie gibt. Zuletzt untersuchte die britische Wissenschaftlerin Dr. Zoë Harcombe im Rahmen ihrer Doktorarbeit, wie aussagekräftig die Daten, auf denen die zwischen 1977 und 1983 ausgesprochenen Ernährungsempfehlungen für Fett und gesättigte Fettsäuren basieren, tatsächlich sind. Sie kommt zu dem Schluss, dass die meisten Daten von Männern stammten, die zumeist bereits herzkrank waren. Schon diese Daten seien nicht überzeugend gewesen. Dennoch habe man die Menschen aufgefordert, weniger Fett und gesättigte Fettsäuren zu essen.

Kritiker dieser Empfehlungen wurden lange nicht ernst genommen oder übergangen. Doch in den letzten Jahren trauten sich vermehrt junge Wissenschaftler und Ärzte an dieses Thema heran. Es erschienen zunehmend Studien, die die alten Dogmen in Frage stellen. Und so titelte das Time Magazine 2014: "Esst Butter ." Für die USA mit ihren unendlichen Supermarktregalen voller fettarmer und fettfreier Kunstprodukte eine ungeheuerliche Aufforderung.

Ausgelöst hatte sie das Buch "Die große fette Überraschung" der New Yorker Autorin Nina Teicholz, dessen Untertitel zu erläutern versprach, "warum Butter , Fleisch und Käse in eine gesunde Ernährung gehören". Es ist eine fundierte Abrechnung mit der Hypothese, dass die gesättigten Fettsäuren und das Cholesterin aus Lebensmitteln zu Herzkrankheiten führen würden.

Seither las und hörte man viel darüber, dass die Butter rehabilitiert sei. In der Tat wurde der Rat, auf das Cholesterin in der Nahrung zu achten, nicht mehr in die neuen US-Ernährungsempfehlungen aufgenommen. Begründung: Es werde nicht mehr als bedenklicher Nährstoff angesehen. Auch die Schweiz hat schon vor Jahren reagiert und die Empfehlungen zur Begrenzung der Cholesterinzufuhr aus den allgemeinen Ratschlägen für eine gesunde Kost herausgenommen. Man weiß schon seit den 1950er Jahren, dass Cholesterin aus dem Essen bei den meisten Menschen keinen nennenswerten Einfluss auf die Blutcholesterinwerte ausübt. Lediglich bei bestimmten seltenen genetischen Konstellationen kann es sinnvoll sein, seine Cholesterinzufuhr mit dem Essen zu begrenzen.

In den meisten Ländern inklusive Deutschland besteht allerdings noch immer die Empfehlung, nur wenig gesättigte Fettsäuren zu essen, weil sie den Cholesterinspiegel im Blut erhöhen. Schon das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gibt viele gesättigte Fettsäuren , und nur drei davon können den Cholesterinspiegel erhöhen: Die in Lebensmitteln weitverbreitete Palmitinsäure, die ebenfalls recht häufige Myristinsäure sowie die eher seltene Laurinsäure, die in großer Menge in Kokosfett und in geringen Mengen in Milchfett vorkommt. Die in der Kakaobutter und damit in Schokolade dominierende Stearinsäure beeinflusst den Cholesterinwert im Blut nicht, und auch viele andere gesättigte Fettsäuren verhalten sich diesbezüglich neutral.

Allerdings isst man keine Stearinsäure und keine Laurinsäure, sondern eben Schokolade, Milch oder Rindfleisch, Butterkekse oder Würstchen, Nüsse oder Fisch. Und diese Lebensmittel enthalten in ihrem Fettanteil immer eine Mischung aus verschiedenen Fettsäuren . Neben den gesättigten enthalten sie auch ungesättigte, und die können den Cholesterinspiegel senken. Wer den gesundheitlichen Wert beurteilen will, muss untersuchen, was die Lebensmittel bewirken, nicht einzelne Inhaltsstoffe.

Hinzu kommt, dass die drei gesättigten Fettsäuren , die das Cholesterin erhöhen können, sowohl das LDL-Cholesterin als auch das HDL-Cholesterin steigern. Erhöhte Werte der ersten Kategorie (Low Density Lipoprotein - Lipoprotein niederer Dichte) gelten in mittleren Lebensjahren als Risikofaktor für Herz und Gefäße. Letzteres hingegen (High Density Lipoprotein - Lipoprotein hoher Dichte) gilt in allen Altersgruppen als gefäßschützend.

Die das HDL-Cholesterin steigernden Eigenschaften der gesättigten Fettsäuren sind schon lange bekannt, wurden allerdings nie so bekannt gemacht wie die das LDL-Cholesterin steigernden Effekte. Nach Umstieg auf Butter können das Gesamt- und das LDL-Cholesterin tatsächlich etwas ansteigen, wie Wissenschaftler von der Universität von Kopenhagen 2015 im American Journal of Clinical Nutrition berichteten. Bei üblichen Verzehrmengen sei der Effekt jedoch moderat und von einem gleichzeitigen Anstieg des günstigen HDL-Cholesterins begleitet. Zumindest Personen ohne Fettstoffwechselstörungen, so die Autoren, bräuchte man nicht vom Butterkonsum abraten.(ug) Es ist kaum bekannt, dass ein höherer Wert an "schlechtem" LDL-Cholesterin oft dadurch zustande kommt, dass die LDL-Partikel größer und fluffiger werden. Große und fluffige LDL-Partikel sind aber keine große Gefahr für die Gefäßgesundheit.

Gefährlich sind kleine, dichte LDL-Partikel, weil sie leichter oxidieren, also "ranzig" werden, und dann die Gefäße angreifen können. Besonders viele kleine, dichte LDL-Partikel entstehen, wenn man sehr fettarm und kohlenhydratreich isst, insbesondere bei Übergewicht. Das wurde bereits 2006 von Professor Dr. Ronald Krauss vom Forschungsinstitut des Oakland-Kinderkrankenhauses in Berkeley gezeigt, einem der bekanntesten und angesehensten Lipidologen der USA. Von der Universität Kopenhagen stammt eine Studie, für die 14 übergewichtige Frauen, die die Wechseljahre bereits hinter sich und daher ein erhöhtes Herzinfarktrisiko vor sich hatten, für jeweils zwei Wochen drei verschiedene Ernährungsweisen ausprobierten. Eine Kost war kohlenhydratreich und relativ fettarm, die anderen beiden waren fettreicher und ärmer an Kohlenhydraten und enthielten entweder Käse oder Fleisch als Hauptquelle gesättigter Fettsäuren . Sämtliche Speisen waren ansonsten ausgewogen im Kalorien- und Nährstoffgehalt.

Es zeigte sich, dass der Genuss von Käse und Fleisch im Rahmen einer ausgewogenen Kost zu besseren HDL-Werten führte als die fettarme Variante. Daraus schließen die Forscher, dass eine Ernährung, die Fleisch und Käse als wichtigste Quelle gesättigter Fettsäuren enthält, weniger gefäßschädigend sei als eine fettarme Ernährung.

Führt Butter zu einem erhöhten Risiko für Diabetes, Herzgefäßkrankheiten und früher Sterblichkeit? Forscher der Tufts-Universität in Boston haben Daten aus neun Beobachtungsstudien mit insgesamt mehr als 630 000 Teilnehmern analysiert. Es fand sich ein winziger Anstieg der Sterblichkeit pro 14 Gramm zusätzlich verzehrter Butter . Dennoch ist fraglich, ob die Butter tatsächlich die Ursache ist, denn die Wissenschaftler fanden keinerlei Zusammenhang zwischen dem Butterverzehr und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronaren Herzkrankheiten und Schlaganfällen. Das Diabetesrisiko sank sogar mit zunehmendem Butterkonsum. Die Autoren der Studien sehen daher ebenfalls keinen Grund (mehr), sich im Rahmen von Ernährungsempfehlungen für die Bevölkerung auf die Verringerung des Butterkonsums zu fokussieren.

Auch die cholesterinreichen Eier werden in neuen Studien ein ums andere Mal vom Verdacht freigesprochen, Herz und Gefäße zu schädigen. 2015 wurde eine Auswertung von zwei großen schwedischen Beobachtungsstudien mit jeweils gut 30 000 Männern und Frauen veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe der Professorinnen Susanna Larsson und Alicja Wolk vom Karolinska-Institut in Stockholm fand keinen Zusammenhang zwischen dem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und dem Konsum von täglich bis zu einem Ei.

 Links ist ein sauberes Blutgefäß im Querschnitt zu sehen, rechts ein verstopftes. Bei Arteriosklerose spielen auch Cholesterin-Ablagerungen eine Rolle. Was dabei genau geschieht, ist ungeklärt. Grafik: Fotolia

Links ist ein sauberes Blutgefäß im Querschnitt zu sehen, rechts ein verstopftes. Bei Arteriosklerose spielen auch Cholesterin-Ablagerungen eine Rolle. Was dabei genau geschieht, ist ungeklärt. Grafik: Fotolia

Sollen wir jetzt alles dick buttern und täglich drei Eier essen? Nein. Das sagen weder die Studien noch die Bücher. Aber wir brauchen uns vor Grundnahrungsmitteln, die reich an gesättigten Fettsäuren und Cholesterin sind, nicht zu fürchten. Sie haben ihren Platz in einer ausgewogenen Ernährung. Mit Völlerei hat das nichts zu tun.

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