Stichwort Hautkrebs Wie schädlich ist die Sonnenbank wirklich?

Homburg · Solarien erhöhen das Risiko für schwarzen Hautkrebs, erklärt die Weltgesundheitsorgani- sation. Doch dafür, so Professor Jörg Reichrath von der Saar-Uni, gibt es bis heute keinen Beweis.

 Professor Jörg Reichrath untersucht an der Saar-Universität die Risiken von UV-Strahlung.

Professor Jörg Reichrath untersucht an der Saar-Universität die Risiken von UV-Strahlung.

Foto: Oliver Dietze

Mindestens 140 000 Menschen erkranken in jedem Jahr in Deutschland an Hautkrebs. In jedem siebten Fall ist es das Maligne Melanom, wie der bösartige schwarze Hautkrebs von Medizinern genannt wird. Seit den 1970er Jahren hat sich die Zahl mehr als verfünffacht, berichtet das Deutsche Zentrum für Krebsregisterdaten. Als wichtigstes Umweltrisiko gilt UV-Strahlung. Und weil just ab den 1980er Jahren Sonnenstudios in Mode kamen und gebräunte Haut als Statussymbol immer wichtiger wurde, liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Zusammenhang besteht. So sieht es auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Sonnenstudios regulieren möchte. Sie verweist auf Studien, die den Schluss nahelegen, dass Menschen, die sich jemals künstlicher UV-Strahlung aussetzten, ein um 20 Prozent erhöhtes Risiko für schwarzen Hautkrebs haben. Auch ein EU-Bericht stützt diese Sicht.

Doch für diese Ansicht, das erklärt jetzt Professor Jörg Reichrath von der Uni-Klinik Homburg, fehlen die Beweise. Der stellvertretende Direktor der Dermatologischen Klinik der Saar-Uni hat in einer internationalen Arbeitsgruppe mit einem Dutzend Forscher 31 Studien mit über 100 000 Teilnehmern dazu ausgewertet. Die Gruppe kommt im Gegensatz zur WHO, die von über 10 000 Melanomfällen durch Sonnenstudios in den USA, Europa und Australien ausgeht, zum Ergebnis: Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht gesichert. Nach heutigem Kenntnisstand sei nicht bewiesen, „dass eine maßvolle Solariennutzung das Risiko erhöht, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken.“

Da die Forschergruppe ihre Kritik im Wissenschaftsjournal „Anticancer Research“ sehr klar formuliert – die Rede ist von „geringer Qualität“ der betrachteten Studien, „unvollständigen Daten“ und „Spekulationen“ –, dürfte Jörg Reichrath mit dieser Annahme richtig liegen: „Da werden sich sicher viele auf die Füße getreten fühlen.“ Es gebe aber auch aus Tierversuchen Hinweise, dass UV-Strahlung unterhalb der Schwelle zum Sonnenbrand das Melanom-Risiko nicht erhöht. Er hoffe auf eine sachliche Auseinandersetzung in der Fachwelt, ist sich allerdings auch im Klaren: „Wir sind bisher mit unserer Meinung in der Minderheit.“

Die Mehrzahl der von den Homburger Forschern ausgewerteten Studien kam zum Ergebnis, dass die Nutzung eines Sonnenstudios das Melanom-Risiko erhöht. Gefragt worden seien die Krebspatienten dabei allerdings lediglich, ob sie „jemals ein Solarium genutzt“ oder „niemals ein Solarium genutzt“ haben. Eine Reihe der Erhebungen habe methodische Schwächen, kritisiert Jörg Reichrath. Bei einigen sei die Datenlage mangelhaft oder undurchsichtig, bei anderen sei die Vorgeschichte einzelner Patientengruppen, wie zum Beispiel der Raucher, nicht ausreichend berücksichtigt, wieder andere hätten bereits wegen Fehlern korrigiert werden müssen. Insgesamt liefere die Auswertung Hinweise, dass der Besuch eines Solariums nicht Ursache des leicht erhöhten Melanomrisikos sei, sondern als „Marker“ auf andere Faktoren hinweise. „Sonnenanbeter“, die häufig Solarien besuchen, könnten ihr Risiko zum Beispiel durch hohe UV-Dosen im Sommer unter freiem Himmel erhöhen. „Wahrscheinlich steigt das Hautkrebs-Risiko vor allem durch natürliche UV-Strahlung.“ Das spiegele sich auch in der Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und Melanomen in Studien aus den USA, wo die natürliche UV-Belastung in vielen Staaten viel höher als bei uns sei, klarer zutage trete als in Europa.

Der stellvertretende Direktor der Dermatologischen Klinik der Saar-Uni in Homburg rechnet sich einer kleinen, aber wachsenden Gruppe von Forschern zu, die der ausschließlich unter dem Aspekt Hautkrebs geführten UV-Diskussion kritisch gegenüberstehen. Er tritt dafür ein, die positiven Wirkungen der UV-Strahlung in der wissenschaftlichen Debatte stärker zu gewichten. Denn UV-Licht kurbelt in der Haut die Produktion von Vitamin D an. Seine Kritik an den Studienergebnissen will er jedoch nicht falsch verstanden wissen. Die simple Gleichung „Solarium führt zu Melanom“ gehe zwar nicht auf, einen Freifahrtschein für die UV-Dusche im Solarium stelle die Arbeit seiner Forschergruppe aber keineswegs aus. Er wolle niemand ermutigen, ein Solarium zu besuchen. Es gelte weiter der Grundsatz „Unsere Haut vergisst keine Strahlung“.

Kinder und Jugendliche müssten unbedingt vor Sonnenbrand geschützt werden. „Doch wenn es einem Menschen persönlich wichtig ist, würde ich ihm aus Angst vor einem erhöhten Melanomrisiko einen Besuch alle zwei Monate auch nicht verbieten. Auf jeden Fall sind weitere Studien zu diesem Thema notwendig.“

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