Zukunftsstudie Der Traum von einer besseren Zukunft

Berlin · Vor 25 Jahren publizierten Forscher eine Zukunftsstudie fürs 21. Jahrhundert. In vielen Punkten haben sie sich geirrt.

 Eine bemannte Mondstation dürfte auf Jahrzehnte hinaus Science-Fiction bleiben. Hier haben sich die vor 25 Jahren in der Delphi-Zukunftsprognose befragten Wissenschaftler kräftig verschätzt. Sie sagten damals den Aufbau der Station fürs Jahr 2017 voraus.

Eine bemannte Mondstation dürfte auf Jahrzehnte hinaus Science-Fiction bleiben. Hier haben sich die vor 25 Jahren in der Delphi-Zukunftsprognose befragten Wissenschaftler kräftig verschätzt. Sie sagten damals den Aufbau der Station fürs Jahr 2017 voraus.

Foto: picture-alliance / dpa/-

So könnte die Welt im Jahr 2019 aussehen: Auf den Straßen fahren nur noch Elektroautos und Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Dreidimensionale Hologramme haben den Fernseher ersetzt. Blinde können dank Implantaten wieder sehen, Querschnittgelähmte wieder laufen. Die Menschheit hat begonnen, die tropischen Regenwälder zu regenerieren. Auf dem Mond gibt es eine ständig bewohnte Forschungsstation und ein Urlaub im Erdorbit ist für Normalverdiener erschwinglich. Kaum zu glauben? Und doch war das vor 25 Jahren die quasi offizielle Zukunftsprognose für Deutschland. Sie wurde von rund 2000 Wissenschaftlern im 600-seitigen Delphi-Bericht für das Bundesforschungsministerium erstellt. Für den Bericht waren Experten aus 16 Fachgebieten, von der Astronomie bis zu den Werkstoffwissenschaften befragt worden. Sie sollten angeben, welche Megatrends die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft ihrer Ansicht nach in Zukunft maßgeblich beeinflussen könnten.

Ähnlich wie das sagenumwobene altgriechische Orakel von Delphi vermieden allerdings auch die damals befragten Wissenschaftler eindeutige Zukunftsprognosen. Immerhin gaben sie aber einen Zeithorizont an, in dem mit wissenschaftlichen Durchbrüchen in 87 Einzeltechnologien zu rechnen sein sollte. Das Ergebnis ist zwiespältig. Die Vorhersagen der Experten auf den Gebieten der Computer- und Informationstechnologie waren am besten, danach kamen Wissenschaftler der Bereiche Medizin, Umwelt und Raumfahrt. Bei den Aussagen zur Bio- und Lebensmitteltechnologie, der Energie- und Haustechnik, des Verkehrs und neuer Werkstoffe bewegen sich die Vorhersagen meist zwischen gerade noch zutreffenden und überzogenen Erwartungen.

Vor 25 Jahren stand in weniger als jedem zweiten deutschen Haushalt ein PC und nur ein Bruchteil davon war durch ein Modem, ein Gerät, das den Datenaustausch über das Telefonnetz ermöglichte, netzwerktauglich. Der sogenannte Mosaic-Browser ermöglichte erstmals die Darstellung integrierter Text- und Bildseiten im WWW. Damals sagten die befragten Informatiker ziemlich exakt voraus, dass bis zum Jahr 2007 die Technologie reif sein würde, um Tageszeitungen und Bücher auf kleinen elektronischen Notizbüchern lesen zu können. Auch das Onlinebanking und der Einkauf per Internet wurden recht präzise vorhergesagt und die sprachgesteuerte Computer-Kommunikation (für 2009 angekündigt) gilt mittlerweile als normal. Über soziale Folgen machte sich allerdings niemand Gedanken. Heute sind bis zu neun Zehntel der Aktivitäten in der Freizeit durch elektronische Medien geprägt, stellte jüngst eine repräsentative Studie der deutschen Stiftung Zukunftsfragen fest.

Versprechen der Wissenschaft und Industrie erschienen damals verlockend: Reduktion der CO2-Emissionen um ein Drittel durch neue Technologien in Industrie und Verkehr standen seit der ersten Weltklimakonferenz im Jahr 1992 auf dem Plan. Der Delphi-Bericht versprach, dass bis 2014 nur noch umweltfreundliche Straßenfahrzeuge unterwegs sein würden. Doch auch von der prognostizierten Kreislaufwirtschaft, einem engen Netz von Recycling- und Sammelsystemen, sind Industriestaaten wie Deutschland noch weit entfernt.

Ausgerechnet in der Medizin blieben die meisten Vorhersagen des Delphi-Berichts unerfüllt. Ein Beispiel dafür ist die mit Steuergeldern in Millionenhöhe geförderte Entwicklung sogenannter Retina-Implantate. Nach dem Vorbild von Hörimplantaten, die Menschen mit einer Innenohr-Schwerhörigkeit helfen, sollen Retina-Implantate blinde Menschen wieder sehen lassen. Leider haben sich diese Erwartungen nur zum Teil erfüllt.

In der Raumfahrt trafen Prognosen ein, die konkrete Verbesserungen auf dem Gebieten der Erdbeobachtung und Klimaforschung betrafen. Nicht erfüllt haben sich aber Erwartungen, mit größeren Raketen und wiederverwendbaren Raumtransportern die Kosten für den Transport in den Weltraum um über 50 Prozent senken zu können. Auf die für 2008 prognostizierte Entwicklung von Robotern, die defekte Satelliten reparieren, und von kommerziellen Satelliten, die Halbleiter und Medikamente herstellen (für 2004 bis 2015 vorhergesagt), warten wir immer noch. Ganz zu schweigen von der Vision einer bemannten Mondstation (bis 2017) sowie von Raumschiffen mit Nuklear­antrieb (bis 2015). Nicht vorhergesehen hatten die Experten die Entwicklung sogenannter Cubesats. Das sind Satelliten von der Größe eines Schuhkartons, die für wenige tausend Euro in den Weltraum gebracht werden und diverse Aufgaben übernehmen – von der Forschung bis zu kommerziellen Anwendungen.

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