Wissen Mit vereinter Rechenkraft gegen das Virus

Saarbrücken · Wie lässt sich das Coronavirus besiegen? Mit geballter PC-Leistung, sagen Forscher der US-Universität Stanford. Sie setzen in einem gemeinnützigen Projekt die Leistung hunderttausender Rechner ein, um ein Heilmittel zu suchen.

 Um Impfstoffe gegen das Coronavirus zu entwickeln, werden viele mögliche Szenarien, das Virus anzugreifen und zu eliminieren, zunächst in Simulationen durchprobiert. Dazu will das Internetprojekt foldingathome weltweit viele tausend Rechner zusammenschalten.

Um Impfstoffe gegen das Coronavirus zu entwickeln, werden viele mögliche Szenarien, das Virus anzugreifen und zu eliminieren, zunächst in Simulationen durchprobiert. Dazu will das Internetprojekt foldingathome weltweit viele tausend Rechner zusammenschalten.

Foto: dpa/Prabhat Kumar Verma

Zahlreiche Menschen arbeiten zurzeit im Homeoffice, die Computer in ihren Büros bleiben derweil ausgeschaltet. Ungenutzte Rechenleistung, die Wissenschaftler im US-amerikanischen Stanford gut gebrauchen könnten. Denn das gemeinnützige Projekt Folding@home setzt die geballte Energie hunderttausender Computer ein, um komplexe Berechnungen im Kampf gegen Krankheiten zu bewältigen. Derzeit benötigen die Forscher so viel Rechenleistung, weil sie schnellstmöglich ein Heilmittel gegen das neuartige Coronavirus entwickeln wollen.

Die Idee hinter Folding@home ist so einfach wie einleuchtend. Um gegen Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder eben auch Covid-19 vorgehen zu können, müssen Forscher zunächst die Angriffspunkte der Erreger im Körper kennen. Dazu werden Stoffwechselprozesse in den Zellen, die mit den jeweiligen Erkrankungen in Verbindung stehen, am Computer simuliert. Das erfordert jedoch riesige Mengen an Rechenleistung, die ein einzelner PC nicht und ein Supercomputer nur mit sehr hohen Kosten erbringen kann. Bei Folding@home werden die Aufgaben aufgeteilt und von vielen kleineren Rechnern bewältigt. Distributed Computing nennt sich das, verteiltes Rechnen.

Zur Verfügung gestellt wird diese Rechenleistung von Freiwilligen auf der ganzen Welt. Mitmachen kann jeder mit einem PC und einer kostenlosen Software, die auf der Webseite des Projekts zum Download angeboten wird. Aktiv etwas tun muss der Nutzer dabei nicht. Nach dem Start läuft das Programm im Hintergrund und führt immer dann Berechnungen für Folding@home aus, wenn der Computer nicht genutzt wird.

Auch dank zahlreicher Aufrufe aus und an die Gamer-Szene, etwa von Grafikchip-Entwickler Nvidia, erfreut sich Folding@home momentan großer Beliebtheit. Ende März verkündeten die Forscher via Twitter, mit der Hilfe der vielen Freiwilligen und deren Computern nun auf eine Rechenleistung von über einem Exaflop zugreifen zu können. Die Abkürzung Flop steht für Floating Point Operations Per Second – gemeint ist ein Rechenschritt, bei dem mit gebrochenen Zahlen gearbeitet wird. In der IT-Welt wird in dieser Einheit die Leistungsfähigkeit eines Computers angegeben. Ein Exaflop, das ist eine Zahl mit 18 Stellen, ist laut Digital-Magazin t3n mehr, als die sieben besten Supercomputer der Welt zusammen leisten.

Ins Leben gerufen wurde Folding@home bereits im Jahr 2000 unter der Leitung von Vijay Pande an der kalifornischen Stanford University. Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern entwickelte der Professor für Bioingenieurwesen dort sein Programm, um für Forschungszwecke benötigte Berechnungen auf viele Rechner aufteilen zu können. Auf ihrer Webseite schreiben die Organisatoren: „Wir stellten unsere Software der Öffentlichkeit zur Verfügung, und bald darauf hatten wir Tausende von Computern, die ansonsten ungenutzte Computerleistung spendeten.“ Zum aktuellen Zeitpunkt basieren laut eigener Aussage über 200 wissenschaftliche Publikationen auf Ergebnissen, die Folding@home hervorgebracht hat.

Was genau aber berechnen die Programme? Besonders wichtig bei der Bekämpfung vieler Krankheiten sind laut Folding@home die Mechanismen der sogenannten Proteinfaltung. Proteine sind lebensnotwendige Eiweißstoffe. Wie die Max-Planck-Gesellschaft erklärt, besteht jedes Protein aus 100 bis 500 Aminosäuren, die zu einer Kette verknüpft sind und sich zu komplizierten dreidimensionalen Formen falten. Dabei können Fehler vorkommen. Falsch gefaltete Proteine können verklumpen und die Zelle gefährden. „Krankheiten wie Alzheimer, Huntington, zystische Fibrose, Rinderwahnsinn, eine vererbte Form des Emphysems und sogar viele Krebsarten sollen auf die Fehlfaltung dieser Proteine zurückzuführen sein“, erklären die Forscher der Stanford University. Auch im Fall des neuartigen Coronavirus sei die Erforschung der Proteinfaltung ein Schlüssel zur Entwicklung eines Heilmittels. „Jede Simulation, die wir durchführen, ist wie der Kauf eines Lottoscheins. Je mehr Scheine wir kaufen, desto größer sind unsere Chancen, den Jackpot zu knacken“, so die Wissenschaftler. Neben Folding@home gibt es weitere Projekte mit ähnlicher Vorgehensweise zur Erforschung von Krankheiten, darunter Rosetta@home und Foldit.

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