Plastiktüten in der Tiefsee Selbst in der Tiefsee sammelt sich der Plastikmüll

Meeresforscher finden im Eis der Arktis immer mehr Mikroplastik. Die Auswirkungen auf die Tierwelt sind bislang unklar.

 Meeresforscher des Afred-Wegener-Instituts fanden bei Messungen in der Arktis überraschend hohe Konzentrationen von Mikroplastik im Eis.

Meeresforscher des Afred-Wegener-Instituts fanden bei Messungen in der Arktis überraschend hohe Konzentrationen von Mikroplastik im Eis.

Foto: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Mar Fernandez

Bremerhaven (np) Im arktischen Meer schwimmt immer mehr Plastikmüll, warnt das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Das zeigten die im Eis gemessenen Konzentrationen an Mikroplastik. Damit bezeichnen die Forscher Teilchen unter fünf Millimeter Größe. In Eisproben aus fünf Regionen des Arktischen Ozeans seien über 12 000 Mikroplastik-Teilchen pro Liter Meereis gemessen worden.

Über die Hälfte dieser Partikel sei kleiner als ein zwanzigstel Millimeter gewesen. „Sie können damit problemlos von arktischen Kleinstlebewesen wie Wimperntierchen, aber auch Ruderfußkrebsen gefressen werden“, erklärt die Biologin Ilka Peeken. Das sei sehr beunruhigend, denn niemand könne heute sagen, wie gefährlich die Partikel für die Tierwelt und letztlich für den Menschen sind.

Mikroplastik entsteht entweder in den Ozeanen durch den Zerfall größerer Plastikstücke, kann aber auch vom Wind ins Meer geweht werden. An Land entsteht Mikroplastik zum Beispiel beim Waschen von synthetischen Textilien. Auch der Abrieb von Autoreifen bildet einen bedeutenden Anteil. Wenn ein Autoreifen im Durchschnitt nach vier Jahren oder rund 50 000 Kilometern Laufleistung ausgewechselt wird, ist er ungefähr 1,5 Kilogramm leichter. Dieser Gummiabrieb summiert sich allein in Deutschland bei über 45 Millionen zugelassenen Personenwagen im Jahr auf mehr als 50 000 Tonnen – Nutzfahrzeuge, Busse und Zweiräder sind dabei noch nicht mitgerechnet.

Die AWI-Forscher verwendeten für ihre Analyse eine neue Technik, die auch kleinste Kunststoffpartikel nachweisen kann. Sie könne bis zu elf Mikrometer (tausendstel Millimeter) kleine Teilchen detektieren, erklärt der Wissenschaftler Gunnar Gerdts. Sie entdeckten in Eisschollen in den pazifischen Wassermassen des Kanadischen Beckens besonders viele Polyethylen-Partikel. Das Material wird vor allem für Verpackungen verwendet. „Wir nehmen an, dass die Bruchstücke Überreste des sogenannten Nordpazifischen Müllstrudels darstellen und durch die Beringstraße in den Arktischen Ozean gelangt sind“, schreiben die Autoren.

Im Eis der sibirischen Randmeere seien vor allem Lackpartikel von Schiffsanstrichen sowie Nylonreste von Fischernetzen gefunden worden. Insgesamt seien 17 Kunststofftypen im Eis identifiziert worden. Sie stammten nicht nur von Verpackungen und Lacken, sondern auch von Materialien, die für Zigarettenfilter verwendet werden.

Die Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass die Plastikpartikel relativ schnell in die Tiefsee sinken. Sie würden oft von Bakterien und Algen besiedelt und damit immer schwerer. An einem Tiefseeobservatorium des Instituts in der Framstraße seien vor Kurzem Mikroplastik-Konzentrationen von 6500 Kunststoffteilchen pro Kilogramm im Tiefseeboden gemessen worden. „Das sind ausgesprochen hohe Werte“, warnt Melanie Bergmann.

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