Das Ende der Wegwerf-Rakete Die Raumfahrt setzt voll aufs Recycling

Hawthorne · Die Raumfahrtplaner wollen weg von der Wegwerfrakete. Das hat vor allem mit finanziellen Überlegungen zu tun – Recycling-Raketen sind deutlich billiger als die alte Techik. Doch leider sind sie hochkompliziert.

 Das private Raumfahrtunternehmen SpaceX macht es den großen staatlichen Weltraumagenturen vor.

Das private Raumfahrtunternehmen SpaceX macht es den großen staatlichen Weltraumagenturen vor.

Foto: spacex

Seit fünf Jahren startet die Raumfahrtfirma SpaceX des US-Milliardärs Elon Musk Satelliten und Raumfahrzeuge mit Raketen, deren Hauptantriebsstufe zur Erde zurückkehrt. Nun will auch die Volksrepublik China bis Ende dieses Jahres mit Tests eines teilweise wiederverwendbaren Satellitenträgers beginnen. Auch das europäische Weltraumtransport-Unternehmen Ariane-Group arbeitet an solchen Trägerraketen.

Die ersten Erfahrungen mit wiederverwendbaren Raumfahrzeugen waren allerdings ernüchternd. Vor einem halben Jahrhundert versprach die US-Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa, mit wiederverwendbaren bemannten Raumfähren die Kosten eines Fluges ins Alls drastisch zu senken. Das ist dann bei keinem der 112 Flüge eines Space Shuttles gelungen. Zu groß war der Wartungs- und Reparaturaufwand für die empfindlichen Weltraum-Flieger.

Anfang des 21.Jahrunderts brachte der US-Multimillionär Elon Musk mit dem Raumfahrtunternehmen SpaceX frischen Wind ins Geschäft. Er setzt dabei aber auf den klassischen Ansatz einer Rakete mit einer an der Spitze montierten Kapsel, die Nutzlast oder Passagiere transportiert. Inzwischen rollt alle zwei bis drei Wochen eine der 70 Meter hohen Falcon-9-Raketen aufs Startgelände. Dafür gibt es drei Start­rampen auf zwei Weltraumbahnhöfen – auf Cape Canaveral in Florida und in Vandenberg an der kalifornischen Westküste. Bis auf wenige Ausnahmen kehrt die erste Raketenstufe der Falcon 9 in die Nähe ihres Startplatzes zurück. Dank des GPS-Navigationssystems landet sie dabei auf wenige Meter genau auf einer schwimmenden Plattform im Ozean. Seit Dezember 2015 sind einige Falcon-Raketenhauptstufen nach Inspektion und Neubetankung schon drei- bis viermal geflogen.

Im Dezember 2020 startete China erstmals vom Wenchang-Weltraumbahnhof auf der südchinesischen Insel Hainan eine Trägerrakete vom Typ Cháng­zheng-8 (Langer Marsch 8). Mit einer Länge von  50,3 Metern und einem Startgewicht von 392 Tonnen ist sie vergleichbar mit der amerikanischen Falcon 9 und der europäischen Ariane 5. Die Chángzheng-8 soll bis zu 4,5 Tonnen schwere Erdbeobachtungs- und Forschungssatelliten  ins All bringen, berichtete der chinesische Fernsehsender CCTV anlässlich des gelungenen Erststarts zwei Tage vor Weihnachten. Was internationale Raumfahrtexperten bei dieser Meldung aufhorchen ließ, war der zusätzliche Hinweis im Staatsmedium, dass bereits 2021 der Versuch unternommen werden soll, die erste Antriebsstufe, die mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff betankt ist, zum Startplatz zurückkehren und vertikal landen zu lassen.

„Eine präzise Schubsteuerung ist die Schlüsseltechnologie für wiederverwendbare Raketen“, erklärt der Raumfahrtingenieur Song Zhengyu, CZ-8-Chefkonstrukteur bei der China Academy of Space Technology (CAST) in einem chinesischen Medienbericht. Die Chángzheng-8 soll wie die US-amerikanische Falcon 9 schwenkbare Stummelflügel für die gesteuerte Rückkehr zur Erde haben. Nur wenige Minuten nach dem Start soll die Hauptstufe vertikal auf einer schwimmenden Plattform vor der südchinesischen Küste landen.

Eine Besonderheit gegenüber der Falcon 9 ist, dass die chinesische Raumfahrtingenieure planen, die Hauptstufen zusammen mit den beiden montierten Startboostern zurückkehren zu lassen. Das bedeutet erheblich mehr Masse und auch zusätzlichen Treibstoffverbrauch. Die Falcon 9 hat keine derartigen Starthilfen.

Unterdessen hat die Europäische Weltraumorganisation Esa den Start ihrer neuen Ariane-6-Rakete aufs zweite Quartal 2022 verschoben. Ein Start des Nachfolgemodells der erfolgreichen Ariane 5 soll etwa 70 Millionen Euro kosten, vergleichbar mit dem Preis eines Falcon-9-Starts  und etwa 30 Prozent billiger als ein Flug des bisherigen europäischen Spitzenmodells Ariane 5.

Bislang hat die Ariane-6-Entwicklung 3,8 Milliarden Euro gekostet. Ab 2025 könnte die in zwei Versionen gebaute Rakete mit wiederverwendbaren Triebwerken ausgestattet werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Wiederverwendbarkeit der Hauptraketenstufe. Im Dezember 2020 hat die Europäische Weltraumorganisation Esa dem Konsortium der Hersteller und Vermarkter der Ariane grünes Licht für den Bau eines Demonstrators erteilt. Ab dem Jahr 2023 sind Flugtests am Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana geplant. Mit dem ersten kommerziellen Einsatz wiederverwendbarer europäischer Raketen rechnet die Esa ab dem Jahr 2030.

 Die Oberstufe seiner Falcon-9-Rakete kehrt nach dem Start zu einer Landeplattform im Ozean zurück.

Die Oberstufe seiner Falcon-9-Rakete kehrt nach dem Start zu einer Landeplattform im Ozean zurück.

Foto: spacex
 Seit Dezember 2015 sind einige der Oberstufen mehrfach im Weltall gewesen und sicher zurückgekommen.

Seit Dezember 2015 sind einige der Oberstufen mehrfach im Weltall gewesen und sicher zurückgekommen.

Foto: spacex
 Die Falcon-9-Oberstufen landen dabei in der Regel auf einer schwimmenden Plattform im Pazifik.

Die Falcon-9-Oberstufen landen dabei in der Regel auf einer schwimmenden Plattform im Pazifik.

Foto: spacex
 Starts solcher Falcon-9-Raketen von SpaceX erfolgen inzwischen mehrmals im Monat.

Starts solcher Falcon-9-Raketen von SpaceX erfolgen inzwischen mehrmals im Monat.

Foto: spacex
  Auch die Ariane 6 erhält wiederverwendbare Startstufen.

Auch die Ariane 6 erhält wiederverwendbare Startstufen.

Foto: dpa/David Ducros

Probleme bei Entwicklung und Bau der im Vergleich mit der Falcon 9 oder der Ariane 5 mehr als doppelt so großen „Big Falcon Rocket“ (BFR) für Flüge zum Mond und Mars hat auch SpaceX. Alle drei Tests dieses Starship genannten Modells endeten mit Explosionen. Ungewöhnlich ist das bei Neuentwicklungen in diesem Stadium allerdings nicht.

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