Technik Der Nachfolger der Concorde hebt ab

Washington · Die Nasa und der Flugzeugkonstrukteur Lockheed Martin wollen ein neues überschallschnelles Passagierflugzeug bauen.

 Die von Lockheed Martin entwickelte X59 soll in 17 Kilometern Höhe mit 1,4-facher Schallgeschwindigkeit fliegen.

Die von Lockheed Martin entwickelte X59 soll in 17 Kilometern Höhe mit 1,4-facher Schallgeschwindigkeit fliegen.

Foto: Nasa/Lockheed Martin Aeronautics/Hand-out

Fast drei Jahrzehnte war sie die Königin der zivilen Luftfahrt. Die Concorde, ein Fluggerät von zeitloser Eleganz, aber leider auch von übermäßigem Kerosinverbrauch, war über viele Jahre das einzige Überschallverkehrsflugzeug am Himmel. Im Jahr 2003 wurde der Flugverkehr eingestellt, seither fliegen nur noch Militärpiloten schneller als der Schall. Doch das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Am Prototyp eines möglichen Überschall-Businessjets werkelt derzeit im Auftrag der US-Luft- und Raumfahrtagentur Nasa ein Industriekonsortium unter Leitung des US-Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Lockheed Martin. In drei Jahren könnten die ersten Testflüge im Südwesten der USA beginnen.

Seit Beginn des Düsenjet-Zeitalters ist die Zahl der Flugpassagiere steil gestiegen – heute sind es in Deutschland nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) über 150 Millionen Passagiere pro Jahr, weltweit 3,3 Milliarden. Je nach Flughöhe liegt die Geschwindigkeit der Passagiermaschinen zwischen 820 und 920 Kilometern pro Stunde. Der französisch-britische Überschalljet Concorde und die sowjetische Tupolev TU-144 blieben jedoch ein Intermezzo. Mit ihnen konnten Passagiere mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit (2400 Kilometer pro Stunde) fliegen. Beide Maschinen erwiesen sich aber als zu laut und zu teuer. Die russische TU-144 wurde schon nach drei Jahren aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Verkehr gezogen.

Mitte der 1980er Jahre rief der damalige US-Präsident Ronald Reagan das Projekt X-30 aus – inoffiziell als „Fliegender Orient Express“ bezeichnet. Dieser Überflieger sollte das Doppelte an Passagieren wie die Concorde mit dreifacher Schallgeschwindigkeit von der Ostküste der USA nach Europa und in den Nahen Osten befördern. Sechs Jahre nach Programmbeginn – drei Milliarden Dollar waren bereits investiert –, stoppte der US-Kongress jedoch die Finanzierung. Eine schnelle Realisierung schien damals unmöglich.

In den Fokus rückten dann kleinere Überschall-Businessjets für etwa 20 Passagiere. Sie sollten deutlich leiser als die Concorde sein. In Simulationen an Supercomputern entwickelte die Nasa das Design eines zivilen Überschall-­Versuchsflugzeugs mit Schalldämpfer unter der Bezeichnung X-­59 QueSST (Quiet Supersonic Technology). Die Schockwellen, die beim Durchbrechen der Schallmauer erzeugt werden, sollen bei diesem Entwurf durch eine extrem schlanke Form, die einem Pfeil vergleichbar ist, und mit beweglichen Steuerelementen an der Spitze und am Heck reduziert werden. Der Lärmpegel des Überschallknalls sei gegenüber der Concorde um ungefähr 40 Prozent reduziert, berichtete die Fachzeitschrift „Aviation Week & Space Technology“. Ziel sei eine Reduzierung des Überschallknalls auf das Niveau eines Aufsitz-Rasenmähers in der Nachbarschaft.

Wie sehr der Krawall des Überschallverkehrs die Bevölkerung beeinträchtigt, will die Nasa ab dem Jahr 2022 bei Versuchsflügen eines Prototypen der X-59 über dem Südwesten der Vereinigten Staaten herausfinden. Im Jahr 2025 sollen diese Tests dann auf das gesamte Land ausgedehnt werden, mit Starts und Landungen in New York, Los Angeles, Atlanta, Dallas und Chicago. Nonstopp-Flüge mit Starts und Landungen in Amerika, Europa, Nahost und China wären zukünftig auch möglich.

Aber selbst wenn die X-59 QueSST in der Höhe ein wirklicher Leisetreter sein sollte, könnte es doch ohne weitere Änderungen bei den Triebwerken sehr schwierig werden, eine Startgenehmigung auf zivilen Flughäfen zu bekommen. Denn der Prototyp der Maschine soll ein Triebwerk des Boeing-Kampfjets 18E/F Super Hornet nutzen, das beim Start eine Lautstärke von über 100 Dezibel entwickelt. Wer diesem Lärmpegel direkt und ohne Gehörschutz ausgesetzt ist, droht taub zu werden. Außerdem geben Überschall-Maschinen wie die X-59 einen Großteil ihrer Abgase in einem für das irdische Klima höchst sensiblen Bereich der Stratosphäre ab. Sie fliegen in 17 Kilometern Höhe und damit deutlich höher als normale Passagiermaschinen.

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