Corona verstärkt psychische Probleme Falsche Vorbilder aus dem Internet
Saarbrücken · In der Corona-Pandemie wurden soziale Medien für viele junge Menschen zum wichtigsten „Freund“. Das kann fatale Folgen für Jugendliche mit Essstörungen haben.

Soziale Netzwerke sind in der Corona-Pandemie für viele junge Menschen zum wichtigsten Kommunikationsmittel geworden. Wenn sie falschen Internet-Vorbildern nachzueifern versuchen, wächst unter anderem das Risiko für Essstörungen, zeigt eine Untersuchung der Hochschule Landshut.
Foto: dpa/Monika Skolimowska(byl) Soziale Netzwerke sorgen für Frust bei vielen Nutzern. Das haben Forscher der Humboldt-Universität Berlin und der TU Darmstadt in einer Untersuchung herausgefunden, bei der sie 600 Jugendliche nach ihren Emotionen bei Facebook-Besuchen befragten. Über ein Drittel der Teilnehmer reagiere auf die Gute-Laune-Welt des ewigen Sonnenscheins, die ihnen viele Selbstinszenierungen in sozialen Netzwerken vorgaukeln, mit Neid und Frust. Andere reagierten offensiv, sie hübschten einfach ihre eigene Webauftritte auf. Aber das verstärke wiederum die negative Reaktion der ersten Gruppe, so die Forscher.
Die meisten finden aus dieser Neidspirale wieder heraus, es gibt aber auch Menschen, die darunter stärker leiden, erklärt Professor Eva Wunderer von der Hochschule Landshut. Sie hat mit Dr. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen untersucht, wie soziale Medien und Essstörungen zusammenhängen. Die Wissenschaftler befragten 175 Patienten.
Eva Wunderer erklärt, auch wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Nutzung von sozialen Netzwerken und Essstörungen gebe, lauere da ein Risiko. „Die intensive Beschäftigung mit sozialen Medien kann die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper erhöhen.“ Besonders betroffen seien Bilder-Portale wie Instagram. Und das gelte keineswegs ausschließlich für junge Frauen. „Auch junge Männer werden tausendfach mit Bildern vermeintlich perfekter, durchtrainierter Körper konfrontiert und verinnerlichen diese Ideale“, so die Forscherin. Dabei übersähen sie, dass ihre Web-Vorbilder, die sich gerne als Freunde präsentierten, in der Regel wirtschaftliche Interessen vertreten, „und oft ein knallhartes Management dahintersteckt“, so Wunderer.
Vielen Jugendlichen sei durchaus bewusst, dass die Bilder, die sie da von ihren Vorbildern im Internet zu sehen bekommen, teils hochgradig digital bearbeitet wurden. Aus anderen Untersuchungen sei jedoch bekannt, dass sie trotz alledem bearbeitete Fotos als schöner und sogar als „natürlicher“ wahrnähmen.
Das könne bei dafür besonders empfänglichen Menschen in einen Teufelskreis führen. „Junge Menschen betrachten vermeintlich perfekte Bilder von vermeintlich perfekten Körpern. Sie fühlen sich selbst minderwertig und verändern ihr Ess- und Trainingsverhalten.“ Für ihre Bemühungen, es ihren Stars gleichzutun, bekämen sie wiederum Lob und Likes. Das sei zwar positiv, gleichzeitig wachse aber die Angst, diese Anerkennung wieder zu verlieren. „So geht es weiter in der Abwärtsspirale, schlimmstenfalls hinein in ein essgestörtes Verhalten“, erklärt Wunderer.
„Soziale Medien machen noch keine Essstörung“, stellt die Wissenschaftler klar, „aber sie können das Fass zum Überlaufen bringen“. Wunderer sieht deshalb die sogenannten Influencer in der Verantwortung: „Aus meiner Sicht ist mittlerweile zu viel bekannt über den Einfluss sozialer Medien, als dass noch jemand, der sich berufsmäßig damit beschäftigt, sagen könnte: Das wusste ich nicht.“
Verschärft hat sich die Gefahr, die von Internet-Vorbildern ausgeht, dann noch einmal in der Corona-Zeit. Eine bayerische Untersuchung, bei der 159 Patienten mit Essstörungen befragt wurden, kommt zum Ergebnis, dass deren Probleme während der Pandemie zunahmen. Jugendliche orientierten sich jetzt noch stärker an den sozialen Medien. Eine englische Studie, die in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, geht von einer Verdoppelung der Fälle aus.
Wunderer: „Für Personen, die ohnehin psychosoziale Probleme haben, kann die jetzige Situation fatale Auswirkungen haben, deren Ausmaß uns wohl erst nach und nach bewusst werden wird.“ Für Eltern sei es wichtig, die Medienkompetenz des Nachwuchses zu fördern und, wenn sie sich Sorgen machten, regelmäßig mit ihrem Kind zu sprechen. Eine Essstörung sei schließlich immer nur das Symptom eines tiefer sitzenden Leidens.
Eine Übersicht über Essstörungen bieten die Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
www.bzga-essstoerungen.de