Kosmos Eine eisige Welt in ewiger Dunkelheit

Washington · Jenseits des Pluto liegt ein noch völlig unerforschter Teil des Sonnensystems. Die US-Sonde New Horizons schickte jetzt erste Fotos.

 Diese Grafik zeigt die Nasa-Sonde New Horizons auf dem Weg durch den Kuipergürtel. Dort kreist eine Vielzahl kosmischer Brocken um die Sonne, die sich nie zu einem Planeten vereinigen konnten. Die Abstände zwischen ihnen sind allerdings deutlich größer als es auf diesem Bild den Anschein hat.

Diese Grafik zeigt die Nasa-Sonde New Horizons auf dem Weg durch den Kuipergürtel. Dort kreist eine Vielzahl kosmischer Brocken um die Sonne, die sich nie zu einem Planeten vereinigen konnten. Die Abstände zwischen ihnen sind allerdings deutlich größer als es auf diesem Bild den Anschein hat.

Foto: JHUAPL/SwRI/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute (JHUAPL/SwRI)

Rund 6,6 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt passierte die US-Raumsonde New Horizons in der Neujahrsnacht 2019 einen 30 Kilometer großen Felsbrocken im All, der seither unter dem Spitznamen Ultima Thule bekannt ist. Der offiziell unter der Bezeichnung 2014MU69 geführte Himmelskörper ist das entfernteste Objekt unseres Sonnensystems, das je Besuch von der Erde erhielt. Aus dieser Entfernung benötigt ein Funksignal mehr als vier Stunden, um zur Erde zu gelangen. Weil die Sonde Daten nur mit einer Geschwindigkeit von gut 600 Bit pro Sekunde übertragen kann – das ist fast hundertmal langsamer als im heimischen WLAN – wird es Monate dauern, bis sie ihre Messwerte übertragen haben wird.

Auf den ersten Aufnahmen der Nasa-Sonde glich Ultima Thule einem Purzelbaum schlagenden Schneemann. Es sah so aus, als wäre eine kleine Kugel von etwa zehn Kilometern Durchmesser mit einer größeren von 20 Kilometern verbacken. Wie kann solch ein Objekt entstehen? Hal Weaver vom Johns Hopkins Applied Physics Laboratory in Laurel (US-Bundesstaat Maryland) geht davon aus, dass solche Formen bei Kleinplaneten im sogenannten Kuipergürtel häufiger vorkommen. In dieser Region jenseits der Bahn des Riesenplaneten Neptun, die nach dem niederländisch-amerikanischen Astronom Gerard Kuiper benannt ist, vermuten Astronomen so viel vereistes Rohmaterial, dass sich daraus mehrere Planeten hätten bilden können. Seit dem Jahr 1991 haben sie dort über 70 000 Objekte, kurz KBO genannt (Kuiper Belt Objects), entdeckt. Nach den Beobachtungen der größten irdischen Observatorien und des Hubble-Weltraumteleskops besitzen viele der KBOs Monde, die fast so groß wie sie selbst sind. Das gilt auch für den Zwergplaneten Pluto und seinen Riesenmond Charon.

Die am 11. Januar 2006 gestartete Raumsonde New Horizons war im Juli 2015 am Pluto vorbeigeflogen, wo sie nur wenige Einschlagkrater, dafür aber Gletscher aus zähflüssigem Stickstoffeis und bis zu vier Kilometer hohe Berge aus Wassereis und Kohlenstoffverbindungen registrierte.

Kurz nach der Pluto-Passage begannen die Forscher mit der Planung des Rendezvous mit Ultima Thule. Die Sonde flog an diesem Objekt von der Größe der Stadt Hamburg in einem Abstand von nur 3400 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von rund 50 000 Kilometern pro Stunde vorbei. Wegen der großen Entfernung zur Erde und der geringen Leistung des Senders von New Horizons müssen die Daten an Bord der Raumsonde zwischengespeichert werden, um dann langsam zur Erde übertragen zu werden. Bislang ist nur ein Bruchteil dieser Informationen eingetroffen. „Erst im September 2020 werden alle Daten aus dem Speicher übertragen sein“, sagt Projektmanager Alan Stern vom Southwest Research Institute im texanischen San Antonio.

Inzwischen haben die Wissenschaftler ihre ersten Beschreibungen dieses ungewöhnlichen Himmelsobjekts leicht korrigiert. Daten vom unbeleuchteten Teil des Felsbrockens zeigten, dass der größere Körper einem Pfannkuchen und der kleinere Teil einer Walnuss ähnelt. Entstanden sei Ultima Thule vermutlich durch den Kontakt zweier kleiner Brocken, die sich aus dem solaren Urnebel vor 4,5 Milliarden Jahren bildeten. Astronomen sprechen von einem Kontaktdoppelkörper.

Die bislang ausgewerteten Bilder stützen die Theorie, wonach Objekte des Kuiper-Gürtels die Quelle kurzperiodischer Kometen im inneren Teil des Sonnensystems sind. Sie können durch die Anziehungskräfte der großen Gasplaneten aus der Bahn geworfen werden. Auf dem Weg Richtung Sonne wird in ihnen eingeschlossenes Gas frei und es bildet sich der typische Kometenschweif. Auch der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, den die europäische Raumsonde Rosetta von 2014 bis 2016 studierte, könnte ein solcher Kontaktdoppelkörper sein.

 Der „Ultima Thule“ genannte Himmelskörper, den die Sonde New Horizons besuchte, wirkt auf den ersten Fotos wie ein missratender Schneemann.

Der „Ultima Thule“ genannte Himmelskörper, den die Sonde New Horizons besuchte, wirkt auf den ersten Fotos wie ein missratender Schneemann.

Foto: Nasa/Credit: NASA/Johns Hopkins Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute, National Optical Astronomy Observatory

Weitere Einblicke in den Aufbau und in die Zusammensetzung von Ultima Thule sollen in den kommenden Monaten Daten der sechs anderen Instrumente an Bord von New Horizons liefern. Im kommenden Jahr soll die Sonde dann Ausschau nach einem Himmelskörper für ein mögliches weiteres Rendezvous halten. Ihre Plutoniumbatterie könnte bis zum Jahr 2035 genügend Energie liefern. Voraussichtlich um das Jahr 2050 dürfte die dann verstummte Sonde den interstellaren Raum erreichen.

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