Krebs Ein Frühwarnsystem für Krebszellen

Marburg · Neue Schnelltests, die auf Tumore ansprechen, könnten die Krebsmedizin schon bald einen großen Schritt voranbringen.

Die Krebsmedizin steht vor einem weiteren großen Schritt nach vorn. In Zukunft könnte eine kleine Blutprobe ausreichen, um Medizinern zu offenbaren, ob eine Krebstherapie anschlägt oder der Tumor zurückkehrt. Das würde manche schmerzhafte Gewebeprobe, die klassische Biopsie, und aufwändige und teure Diagnostik mit Computertomografen (CT) und Kernspin (MRT) reduzieren helfen.

Das Prinzip ist einfach: Abgestorbene Zellen hinterlassen Erbgut-Schnipsel (DNA), die über das Blut abtransportiert werden. Von Tumoren gelangt so DNA ins Blut und kann mit moderner Technik aufgespürt werden. Diese sogenannte Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie) zählt zu den heißen Themen der Krebsmedizin.

Derzeit untersuchen Mediziner, wie zuverlässig die Liquid Biopsy bei einzelnen Tumorarten eingesetzt werden kann. Bei Lymphdrüsenkrebs funktioniert das gut, haben die Mediziner der Uniklinik Gießen herausgefunden. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Lymphsysteme eng mit den Blutgefäßen verknüpft sind“, erklärt Mathias Rummel, Hämatologe an der Uniklinik Gießen. Die Tumorschnipsel gelangen daher leicht ins Blut. Mehr noch: Aus der Anzahl der Schnipsel können die Forscher auch auf die Größe des Tumors schließen.

Bei Berthold H. schwollen Mitte 2016 die Lymphknoten am Hals. Die Ärzte diagnostizierten eine spezielle Krebsform der Lymphgefäße, ein sogenanntes Non-Hodgkin-Lymphom. Neben der klassischen Gewebeprobe aus der walnussgroßen Schwellung entnahmen die Forscher auch eine zehn Milliliter große Blutprobe. Nach der klassischen Chemotherapie ging der Tumor zurück, was sich auch direkt im Blutbild der Liquid Biopsy widergespiegelt habe. Tumorzellen sind durch genetische Mutationen veränderte Zellen. „Wir kennen rund 100 Mutationen bei dieser Krebsart“, sagt Rummel zum Krankheitsbild seines Patienten. In der Blutprobe werden die Tumor-DNA-Schnipsel zunächst mit Markern versehen und dann mit einer Art molekularer Angel herausgefischt. Die Schnipsel werden schließlich mit sogenannten Sequenzierverfahren vervielfältigt und analysiert.

Jeder Tumor eines jeden Patienten hat ganz individuelle Mutationen, seinen ganz speziellen genetischen Fingerabdruck. Da bei Patient Berthold H. nach der Therapie keine solchen DNA-Schnipsel mehr zu finden waren, gehen die Mediziner davon aus, dass er vorerst beseitigt ist. In den Studien wird dies mit klassischen Gewebeproben und Verfahren der Bildgebung kontrolliert. Die Zukunft könnte bei Lymphomen allerdings so aussehen, dass die Liquid Biopsy während der Therapie und in der Nachsorge und Kontrolle die Gewebeproben und Bildgebung immer häufiger ersetzt.

„Wenn wir im Blut nichts mehr finden, dann sind wir sicher, dass die Erkrankung weg ist“, sagt Hämatologe Rummel. Das möchten die Mediziner auch für andere Krebsfälle und Erkrankungen nutzen. Doch da scheint die Situation schwieriger. Bei anderen Krebsarten gelangt Tumor-DNA offenbar nicht so gut ins Blut. Die Forscher müssen sich andere Strategien ausdenken. Dennoch: „Die Revolution ist, dass eine Blutentnahme an Stelle einer CT tritt“, sagt der Gießener Pathologe Stefan Gattenlöhner. Als nächstes könnten sich die Mediziner vorstellen, die Liquid Biopsy auch bei Prostatakrebs und Brustkrebs einzusetzen.

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