Herzschrittmacher Die dunkle Seite der Medizintechnik

Berlin · Wenn das Herz aussetzt, kann ein implantierter Defibrillator einem Menschen das Leben retten. Doch das Gerät kann auch das Sterben verlängern.

 So sieht ein implantierter Herzschrittmacher auf einem Röntgenbild aus.

So sieht ein implantierter Herzschrittmacher auf einem Röntgenbild aus.

Foto: BeckerBredel

(byl) Fast 420 000 Operationen am Herzen werden pro Jahr in Krankenhäusern in Deutschland durchgeführt. In fast 30 000 Fällen implantieren Ärzte dabei sogenannte Defibrillatoren, die bei gefährlichen Herzrhythmusstörungen anspringen. Sie werden immer öfter älteren Menschen eingesetzt. Über die Hälfte der Patienten hat das 70. Lebensjahr teils deutlich überschritten.  Implantierte Defibrillatoren (ICD) können Menschen mit schweren Herzrhythmusstörungen wertvolle Lebensjahre schenken. Doch wenn sich der Patient vor der OP keine Gedanken über das Thema gemacht hat, kann das  lebensrettende Gerät am Lebensende zum Fluch werden, warnt die Gesellschaft für Kardiologie,  Herz- und Kreislaufforschung.

„Im Sterbeprozess verkehrt sich der Nutzen der Defibrillatoren ins Gegenteil. Sie verlängern die palliative Phase und können Sterbende durch Elektroschocks schwer belasten“, warnt Professor  Johannes Waltenberger. Er ist Leiter  der interdisziplinären Projektgruppe „Ethik in der Kardiologie“ der medizinischen Gesellschaft. Die Geräte lassen sich zwar technisch relativ einfach deaktivieren, doch was ist dabei einem Arzt erlaubt?  Defibrillatoren können, so erklärt der Sprecher der DGK, Professor Eckart Fleck, induktiv abgeschaltet werden. Beim Induktionsverfahren werden Informationen drahtlos auf elektromagnetischem Weg von der Spule eines Senders außerhalb des Körpers an eine Empfängerspule im implantierten Gerät übertragen. Was  dabei rechtlich und ethisch zulässig ist, formulieren die medizinischen Fachgesellschaften für Palliativmedizin und Kardiologie derzeit in einer Reihe von Empfehlungen für ihre Mitglieder.

Die Vereinigung der Kardiologen hat in einer Umfrage fast 370 Chefärzte an 292 Krankhäusern in Deutschland auf dieses Thema angesprochen. Die Mediziner seien fast einhellig der Meinung gewesen, dass Herzschrittmacher in der Sterbephase deaktiviert werden sollten. Unsicher seien die befragten Chefärzte aber bei der Antwort auf die Frage gewesen, wann das legitim sei. Mehr als zwei Drittel hätten erklärt, dass es in ihrer Klinik keine Richtlinien dazu gebe. Nur ein Viertel habe diese  Möglichkeit in der Patientenaufklärung vor der Implantation angesprochen. „Nicht einmal die Hälfte der Befragten gab an, ihren Patienten werde geraten, das Management am Lebensende in einer Patientenverfügung zu regeln“, berichtet die DGK. Genau das empfiehlt aber die Projektgruppe der Kardiologen-Vereinigung. Noch bevor ein Defibrillator implantiert werde, müsse  der Arzt mit seinem Patienten über mögliche Probleme und die Umstände, unter denen er deaktiviert werden soll, gesprochen haben. „Die Patienten haben ein Anrecht darauf“, erklärt Johannes Waltenberger. Das erste Gespräch müsse sich dabei an der konkreten Situation des Patienten orientieren und  die Angehörigen  einbeziehen. „Die Aufklärung zu Beginn ist häufig auch die einzige, schließlich ist ein großer Teil der Patienten zum Zeitpunkt der  Implantation bereits über 80 Jahre alt.“

Ärzte seien verpflichtet, einen solchen Schrittmacher zu deaktivieren, wenn es der Patient fordere oder in einer Patientenverfügung festgehalten habe. Gegen den Willen eines Patienten dürfe ein Defibrillator niemals abgeschaltet werden. Schwierig werde für die Mediziner eine Entscheidung allerdings dann, wenn sich ein Patient nicht mehr erklären könne und auch keine Verfügung geschrieben habe. In diesem Fall müsse sein mutmaßlicher Wille ermittelt werden. Hier gehe es dann auch darum, einen Menschen in seinen letzten Lebensstunden „von medizinisch sinnlosen und schmerzhaften Schocksalven“ zu verschonen.

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