Wissenschaft Der Wind pustet Mikroplastik selbst in entlegene Regionen

Castanet-Tolosan · Französische Forscher finden Mikroplastik in einer 1400 Meter hoch gelegenen Bergregion, die weitab von allen Industriezentren liegt.

 Riesige Mengen Mikroplastik gelangen durch den Abrieb von Autoreifen in die Luft.

Riesige Mengen Mikroplastik gelangen durch den Abrieb von Autoreifen in die Luft.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

(dpa) Mikroplastik kann vom Wind in weit entfernte Regionen transportiert werden, haben Wissenschaftler des Forschungsinstituts Ecolab in Castanet-Tolosan in den französischen Pyrenäen herausgefunden. Bisher sei angenommen worden, dass Mikroplastik vor allem über Flüsse verbreitet wird, die diese Partikel ins Meer transportieren.

Expertenschätzungen zufolge wurden allein 2016 weltweit etwa 335 Millionen Tonnen Plastik produziert, 60 Millionen Tonnen davon in Europa. Die größte Teil davon ist Verpackungsmaterial. Etwa ein Zehntel des hergestellten Plastiks landet in den Meeren. Bekannt sei, dass Mikroplastik, zum Beispiel der Reifenabrieb von Autos, vom Wind verweht werden kann. Dass diese Partikel dabei auch weit entfernte Regionen erreichen können, zeige nun die Untersuchung.

Die Wissenschaftler um Steve und Deonie Allen vom Forschungsinstitut Ecolab hatten im Winter 2017/18 fünf Monate ein spärlich besiedeltes Gebiet in den Pyrenäen untersucht. Die 1400 Meter hoch gelegene Region liegt weitab von Großstädten, Industriezentren und großen Landwirtschaftsflächen. Aus Modellrechnungen schlossen die Forscher, dass die Partikel, die sie dort fanden, eine Reise von bis zu 95 Kilometern hinter sich haben. In diesem Radius lägen aber nur kleinere Orte mit weniger als 25 000 Einwohnern und keine Großstädte.

Die tatsächliche Herkunft der Teilchen lasse sich kaum ermitteln, gibt Volker Matthias vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht zu bedenken. Der Forscher sieht Parallelen zum Transport von Sahara- und Vulkanstaub in der Atmosphäre. Wenn die Partikel durch Luftbewegungen erst einmal größere Höhen erreicht hätten, könnten sie auch über große Entfernungen transportiert werden. Fasern hätten durch ihre spezielle Form geringere Sinkgeschwindigkeiten als kugelförmige Teilchen gleicher Masse. „Ich halte es nicht für überraschend, dass auch verhältnismäßig große Mikroplastikpartikel über große Distanzen transportiert werden können“, sagte Matthias.

Kunststoffe zerbröseln im Laufe der Zeit in immer kleinere Fragmente. Als Mikroplastik werden schließlich Teilchen bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Dazu zählen zum Beispiel Reibekörper in Kosmetik und beim Waschen freigesetzte synthetische Fasern. Nach der im vergangenen Jahr vorgestellten Untersuchung „Kunststoffe in der Umwelt“ kommen allein in Deutschland jährlich rund 330 000 Tonnen Mikroplastik zusammen – gut vier Kilogramm pro Kopf. An der Spitze der Verursacher stehe der Abrieb von Autoreifen. Rund ein Drittel der Mikroplastik-Emissionen entfalle darauf.

(dpa)
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