Überwachung aus dem All Die neue Generation der Weltraumspione

Washington · Das US-Militär will Spionagesatelliten besser schützen. Statt weniger großer Himmelsspäher sollen künftig viele kleine dieser Satelliten um die Erde kreisen.

  Das nach dem US-Astronomen Hubble benannte Weltraumteleskop kreist seit dem Jahr 1990 in gut 500 Kilometern Höhe um die Erde. Die elf Tonnen schwere Beobachtungsplattform im Weltraum ähnelt US-Spionagesatelliten des Typs Keyhole.

Das nach dem US-Astronomen Hubble benannte Weltraumteleskop kreist seit dem Jahr 1990 in gut 500 Kilometern Höhe um die Erde. Die elf Tonnen schwere Beobachtungsplattform im Weltraum ähnelt US-Spionagesatelliten des Typs Keyhole.

Foto: Nasa

Blackjack heißt die amerikanische Variante des Kartenspiels „17 und 4“. Aber auch ein neues Raumfahrtprojekt des US-Militärs ist auf diesen Namen getauft worden. Das Glücksspiel gewinnt, wer mit möglichst wenigen Karten 21 Punkte erreicht. Im gleichnamigen Raumfahrtprojekt sieht die Gesamtsumme etwas anders aus. Im All stationiert werden mindestens zwei Dutzend Satelliten zur Erdbeobachtung. Sie sollen in den 2030er Jahren fast alle außerirdischen Aufgaben der militärischen Überwachung übernehmen. Die Starts der ersten Militärsatelliten sind bereits in diesem Jahr vorgesehen, hat die militärische Raumfahrtorganisation der Vereinigten Staaten, die Darpa, angekündigt.

Die Raumfahrt war von Beginn an auch ein militärisches Projekt. Die Supermächte USA und UdSSR wollten ein militärisches Arsenal im All. Dazu gehören bis heute ein Dutzend Aufklärungssatelliten von der Größe des zivilen Hubble-Weltraumteleskops sowie Telekommunikations- und Überwachungssatelliten der Marine mit über 100 Meter langen Antennen plus Radar- und Navigationssatelliten von der Größe eines Schulbusses.

Vertraut man den Angaben des Chefs des Pentagon-Erdbeobachtungsbüros (NRO), Bruce Carlson, dann ist nicht die Internationale Raumstation ISS, sondern der im Jahr 2010 gestartete militärische Satellit USA-223 mit über 100 000 Quadratmetern Antennenfläche das größte je von Menschenhand geschaffene Objekt im Erdorbit. Der Satellit sei nur deshalb am irdischen Nachhimmel nicht so hell wie die ISS, weil er in einer geostationären Bahn in 36 000 Kilometern Höhe um die Erde kreist.

Die ISS fliegt in rund 400 Kilometern Höhe um die Erde. Die meisten militärischen Satelliten wurden bislang in 700 Kilometern hohen Orbits und darüber stationiert. Weil sie weiter entfernt sind, sind sie für potenzielle Abfangsatelliten schwieriger zu erreichen. Außerdem können sie aus größeren Höhen länger ein spezielles Gebiet der Erde observieren. Die geringere Bildauflösung wird heute durch bessere Kameras wettgemacht. Die Optik des Keyhole-12-Satelliten hat einen Spiegeldurchmesser von 2,4 Meter. Sie soll Details von der Größe eines Smartphones auf dem Boden erkennen können.

Obwohl noch kein Angriff auf einen großen Spionagesatelliten bekannt wurde, wären sie doch prinzipiell leichte Beute für Killersatelliten, die Überwachungssatelliten blenden oder durch elektromagnetische Entladungen unbrauchbar machen könnten. Nach Angaben des US-Raumfahrtanalysten Todd Harrison vom Zentrum für strategische, internationale Studien im Journal Space News wächst die Gefahr für große Spionagesatelliten. Anfang 2017 demonstrierte das Militär Chinas und zwei Jahre später auch Indiens, dass es Satelliten abschießen kann. Bereits im Mai 2014 hatte im US-Pentagon ein Weltraum­experiment Russlands für Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei wechselte der russische Satellit Kosmos 2499 in großer Bahnhöhe mehrfach den Orbit, bevor er sich zwei anderen russischen Satelliten näherte. War das der Test einer Inspektions- oder Reparatur-Mission, so wie unter zivilen Raumfahrtexperten diskutiert? Oder war es die Simulation eines Angriffsmanövers? Drei Jahre nach dem russischen Test führte der US-Spionagesatellit USA 276 ähnliche Manöver in unmittelbarer Nachbarschaft der Internationalen Raumstation ISS durch. Darüber wurde die Besatzung der ISS nicht informiert, obwohl unter ihnen auch US-Astronauten waren.

Der vor Jahrzehnten zwischen den USA und der UdSSR geschlossene Weltraumvertrag soll die Stationierung von Waffen im Weltraum verhindern. Inzwischen sind aber mehr als ein Dutzend Nationen prinzipiell in der Lage, Antisatellitenwaffen in die Erdumlaufbahn zu bringen, darunter nicht nur China und Indien, sondern auch Nordkorea und der Iran. Internationale Verträge, die das verbieten gibt es nicht. Das neue militärische US-Weltraumkommando Space Force setzt daher auf neue Strategien, um im Fall von Angriffen auf Überwachungssatelliten nicht blind und taub zu werden. Statt großer Spezialsatelliten soll künftig eine Flotte von mindestens zwei Dutzend sogenannter Mikrosatelliten von nur 150 Kilogramm die Weltraumüberwachung übernehmen. Diese Blackjack-Satelliten sollen in zwei Bahnebenen unterhalb von 500 Kilometern die Erde umkreisen. Kein Ort auf der Erde bliebe den Kamera- und Radaraugen verborgen.

  So könnten die künftigen Spionagesatelliten des sogenannten Blackjack-Projekts aussehen. Sie sollen erheblich kleiner als die heutigen Weltraumspione werden.

So könnten die künftigen Spionagesatelliten des sogenannten Blackjack-Projekts aussehen. Sie sollen erheblich kleiner als die heutigen Weltraumspione werden.

Foto: boeing

Mit künstlicher Intelligenz ausgestattet, sollen diese Satelliten autonom nach Beobachtungszielen suchen und untereinander Daten austauschen. Defekte Blackjack-Satelliten würden von Reserve-Satelliten, die in Wartepositionen geparkt sind, abgelöst. Außerdem hat das im Jahr 2017 gegründete Unternehmen Virgin Orbit eine fliegende Startrampe entwickelt, von der aus jederzeit Raketen ins All geschossen werden können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort