Insektensterben Der Tod in der Steinwüste

München · Den Schmetterlingen geht es schlecht. Ihre Zahl sinkt. Das hat nicht nur mit dem Klimawandel zu tun. Jeder Einzelne kann den Insekten helfen.

 Dieses Bild ist heute selten geworden: Ein Tagpfauenaugen auf Herbstastern. Viele Schmetterlingsarten sind in Deutschland bereits verschwunden oder bedroht.

Dieses Bild ist heute selten geworden: Ein Tagpfauenaugen auf Herbstastern. Viele Schmetterlingsarten sind in Deutschland bereits verschwunden oder bedroht.

Foto: dpa/Stephan Jansen

(dpa) Schmetterlinge sind das Sinnbild für Leichtigkeit und Schönheit. Kleine Kinder sind begeistert, wenn sich die „Raupe Nimmersatt“ aus dem gleichnamigen Bilderbuch in einen wunderschönen Schmetterling verwandelt. Doch Eric Carles Buch ist mehr als 50 Jahre alt. Würde er die Geschichte heute schreiben, klänge sie wohl trauriger. Trotz vieler Appelle sehen Naturschützer die Lage der geflügelten Insekten mit Sorge.

Mindestens 60 Schmetterlingsarten seien in Deutschland ausgestorben, schreibt das Bundesamt für Naturschutz in Bonn. 494 weitere seien vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Insgesamt gebe es rund 3700 Arten. „Selbst viele Allerweltsarten wie zum Beispiel das Tagpfauenauge oder der Kohlweißling sind im Bestand merkbar rückläufig“, sagt Andreas Segerer. Er ist stellvertretender Direktor der Zoologischen Staatssammlung München und Experte für Lepidoptera, wie Schmetterlinge wissenschaftlich heißen. „Der Artenrückgang geht quer durch die Bank.“

Segerer macht das am Beispiel eines Naturschutzgebietes im Donautal in Regensburg deutlich. Dort werden seit mehr als 200 Jahren Daten über Schmetterlinge gesammelt. 120 Arten gab es mal. Fast 40 Prozent seien dort mittlerweile verschwunden, die Hälfte allein in den vergangenen 20 Jahren. Die Gründe sind nach Einschätzung der Experten vielfältig. Der Klimawandel mit Dürreperioden und Hitze ist einer davon, ebenso die intensive Landwirtschaft. Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin verweist auf den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln und auf das häufige Mähen von Wiesen. Der Verlust artenreicher Wiesen und Weiden sei dramatisch, sagt Wessel.

Schmetterlinge bräuchten nährstoffarme, offene und blütenreiche Landschaften und lichte, naturnahe Wälder, erklärt Segerer. Doch solche Biotope gebe es fast nur noch in Schutzgebieten, bemängelt der Schmetterlingskundler. Trostlos für Insekten sieht es auch oft in Dörfern und Städten aus – Stichwort Schottergärten. Zwar sind sie vielerorts bereits verboten. „Aber es gibt immer noch genügend Neubaugebiete, die trotzdem noch mit diesen Schotterwüsten zugepflastert werden“, bemängelt Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). „Da geht wichtiger Lebensraum verloren.“

Ein Meilenstein war für Naturschützer das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, das in Bayern über 1,7 Millionen Menschen unterschrieben hatten. Im Juli 2019 verabschiedete der Landtag daraufhin strengere Regeln im Umwelt-, Natur- und Artenschutz, nicht nur für Bienen. Biotope sollen besser vernetzt, Ufer geschützt, der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt und der ökologische Anbau ausgebaut werden.

Als große Hoffnung gelten zumindest in Bayern Blühpatenschaften. Die Paten zahlen einen Geldbetrag und der Landwirt sät dafür auf ausgewählten Flächen eine Blühmischung aus. Eine gute Idee, doch Naturschützer raten, die Angebote gut zu prüfen. Sie seien gut gemeint, erfüllten aber nicht immer ihren Zweck, etwa wenn Blumen ausgesät würden, die nur den Honigbienen nutzten. Zudem sollte eine Blühfläche mindestens fünf Jahre bestehen bleiben. „Sie beherbergen auch viele Überwinterer und Larvenstadien von Insekten“, schreibt der LBV im Internet. Würden die Flächen im Herbst gemulcht oder umgebrochen, würden dort lebende Tiere vernichtet.

 ARCHIV - 03.09.2010, Nordrhein-Westfalen, Herdecke: Eine Gruppe von Raupen des Tagpfauenauges bevölkert die Blätter einer Brennessel. Nach mehreren Häutungen verpuppen sich die Insekten um nach etwa zwei Wochen als Schmetterlinge zu schlüpfen. (zu dpa: «Dürre, Gift und Schottergärten - Schmetterlinge werden weniger») Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 03.09.2010, Nordrhein-Westfalen, Herdecke: Eine Gruppe von Raupen des Tagpfauenauges bevölkert die Blätter einer Brennessel. Nach mehreren Häutungen verpuppen sich die Insekten um nach etwa zwei Wochen als Schmetterlinge zu schlüpfen. (zu dpa: «Dürre, Gift und Schottergärten - Schmetterlinge werden weniger») Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Bernd Thissen

Doch es kommt nicht nur auf bunte Blumen an. „Wenn die Raupen keine Futterpflanzen haben, bringen die Blühpflanzen gar nichts, weil die Raupen nicht zum Schmetterling werden“, erklärt Erlwein. Jede Art hat ihre Vorlieben. Beim Tagpfauenauge und beim Kleinen Fuchs sind es die Brennnesseln. Andere brauchen etwa Gräser, Sauerampfer oder Klee – Unkraut nach Meinung vieler Hobbygärtner. „Mut zur Wildnis“, rät Erlwein. „Auch mal faul sein im Garten, etwas wachsen lassen.“ Das empfiehlt auch der Lepidopterologe Segerer: „Ein Garten, der einen eher schlampigen Eindruck macht, ist für Insekten sexy.“

(dpa)
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