Katastrophenhilfe Bund will Spendensammeln für Erdbebenopfer erleichtern

Berlin/Bad Neuenahr-Ahrweiler · Das unermessliche Leid Zehntausender Erdbebenopfer rührt viele Menschen in Deutschland. Die Bereitschaft für Spenden ist hoch. Doch gelten manche Einschränkungen. Der Bund will die Hilfe vereinfachen.

Ein Mann fährt auf einem Motorrad an den Trümmern zerstörter Gebäude.

Ein Mann fährt auf einem Motorrad an den Trümmern zerstörter Gebäude.

Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

Der Bund will das Spendensammeln für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien erleichtern. Das Bundesfinanzministerium teilte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag mit, ein sogenannter Katastrophenerlass werde derzeit mit den Steuerverwaltungen der Bundesländer abgestimmt. Der Erlass solle für Spendenaktionen rückwirkend vom 6. Februar 2023 an greifen. Wann er genau in Kraft trete, sei vorerst noch unklar. Es gehe etwa um organisatorische und steuerliche Erleichterungen.

Zugleich dringt das Ahrtal gut eineinhalb Jahre nach seiner Flut mit mindestens 134 Todesopfern auf eine generelle dauerhafte Vereinfachung des Spendenrechts. Auch mit Blick auf die Erdbeben in der Türkei und in Syrien mit Zehntausenden bestätigten Toten wenden sich Ahr-Flutbetroffene und Helfer mit einem Video-Appell an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Es gehe um mehr Tempo und mehr Rechtssicherheit bei Spenden in Krisen - Katastrophenhilfe sei generell immer noch nicht gemeinnützig.

Das Bundesfinanzministerium will nach eigenen Angaben den geplanten, deutschlandweit bis 31. Dezember 2023 geltenden Katastrophenerlass für Erdbebenopfer künftig auf seiner Internetseite veröffentlichen: „Er enthält Verwaltungserleichterungen für Unternehmen, Vereine und Engagierte - wie zum Beispiel vereinfachter Zuwendungsnachweis, Sammeln und Verwendung von Spenden auch außerhalb des satzungsmäßigen Zweckes, lohnsteuerliche Erleichterungen, Ausnahmen von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe.“

Damit könnten laut Ministerium auch etwa Musik- und Sportvereine für Opfer der Erdbeben außerhalb ihres satzungsmäßigen Zweckes Spenden sammeln. Zur Forderung der Ahrtal-Kampagne, das Spendenrecht generell zu vereinfachen, erklärte das Bundesfinanzministerium, Katastrophen seien „temporär auftretende Ereignisse“, auf die rasch und bedarfsgerecht zugeschnitten reagiert werden müsse. „Gesetzliche Tatbestände können derartige Szenarien nicht abstrakt vorwegnehmen und lösen.“ Ein bundesweiter Erlass sei „ein jahrelang erprobtes und bewährtes Vorgehen in Katastrophenfällen“.

Die Ahrtal-Kampagne dringt dagegen auf dauerhaft gültige Gesetzänderungen und nicht nur befristete Erlasse. Der Vorsitzende des Flutspenden-Vereins „AHR - A Wineregion needs Help for Rebuilding“, der Winzer Marc Adeneuer, beispielsweise teilte mit, er habe einst seinen teils noch stärker flutgeschädigten Kollegen im Ahrtal helfen wollen - zunächst vergeblich. Erst nach langem Ringen mit Behörden habe er eine Sonderregelung aushandeln können, um die Einnahmen von verkauftem „Flutwein“, also teils schlammverkrusteter Flaschen mit ungeschädigtem Inhalt, an betroffene Weingüter auszahlen zu können. „Andernfalls hätte unserem im Eilverfahren gegründetem Spendenverein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können. Das hätte für mich hohe Steuerzahlungen aus meinem Privatvermögen bedeutet. Ich wäre haftbar gewesen“, erklärte der Vereinschef.

Daniel Koller, Mitinitiator des Ahrtal-Videos für Minister Lindner, sagte, der Appell sei Teil einer bundesweiten Kampagne zur Erinnerung an die Ahr-Flut auf digitalen Plakattafeln und im Vorprogramm von Kinos sowie im Fernsehen und Internet. Im Zentrum steht ein kürzlich enthülltes Mahnmal in einer Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler: Ein großer Kunstharzwürfel birgt symbolträchtige Flutexponate wie etwa eine stehengebliebene Armbanduhr und ein lädiertes Autokennzeichen. Zum Spendenrecht heißt es in der Kampagne etwa: „Geld muss schneller fließen als die Flut.“ Koller erklärte: „Menschen spenden Geld, um schnell zu helfen. Kommt die Hilfe nicht oder zu spät an, könnte das die Bereitschaft, bei der nächsten Krise zu spenden, verringern.“

Der Deutsche Fundraising Verband unterstützte die Ahr-Initiative: „Da Not- und Katastrophenhilfe gesetzlich nicht vorgesehen ist, müssen in Folge einer Katastrophe immer alle 16 Bundesländer aufwendig aufs Neue zusammenkommen und gemeinsam mit dem Bund über Sonderregelungen entscheiden, um eine flexible Hilfe und Spenden aus der Zivilbevölkerung rechtlich überhaupt zu ermöglichen.“ Nötig sei eine bundesweite Regelung der „Ampelregierung zu einer Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts wie im Koalitionsvertrag vereinbart“.

Das Bundesfinanzministerium hat nach eigenen Angaben früher bereits deutschlandweite Katastrophenerlasse zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, zum Erdbeben in Albanien 2019 und zur hiesigen Flüchtlingskrise 2015 erlassen. Ähnliche Regelungen auf Landesebene traten beispielsweise nach der Flut 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in Kraft. Der bundesweite Katastrophenerlass für den vor einem Jahr begonnenen Ukraine-Krieg wurde laut Bundesfinanzministerium vorerst bis Ende 2023 verlängert.

© dpa-infocom, dpa:230223-99-709092/5

(dpa)
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