Gefährliche Bakterien Biofilme: So verteidigen sich Bakterien gegen Antibiotika

Marburg · Mit einer geschickten Verteidigungsstrategie schützen sich Bakterien vor Medikamenten. Sie schließen sich zu einem Biofilm zusammen.

 So sehen die nur wenige tausendstel Millimeter großen Bakterien der Art Pseudomonas aeruginosa unter einem Elektronenmikroskop aus.

So sehen die nur wenige tausendstel Millimeter großen Bakterien der Art Pseudomonas aeruginosa unter einem Elektronenmikroskop aus.

Foto: HZI/Rohde

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die „Bäume“ im folgenden Beispiel aus der Welt der Biologie sind die Bakterien. Bis vor Kurzem betrachteten Forscher die Einzeller vor allem als Einzelgänger – und vieles ist ihnen daher entgangen. Denn Bakterien leben häufig in Gemeinschaften: Sie formieren sich zu sogenannten Biofilmen. Dazu zählen unser Zahnbelag, unschön am Morgen, außerdem die Darmflora als Mischung aus Pilzen und Bakterien, unverzichtbar für die Verdauung, dazu zählen aber auch Mikroorganismen, die zum Beispiel an Wurzeln von Pflanzen leben. Ohne diese Biofilme an der Pflanzenwurzel wäre das Grünzeug schlicht nicht lebensfähig.

Mittlerweile habe sich jedoch die Sichtweise durchgesetzt, „dass Bakterien hauptsächlich in Biofilmen vorkommen“, erklärt Knut Drescher vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. In dessen Forschungsverbund Synthetische Mikrobiologie (SynMikro) versucht der Biophysiker, Biofilmen ihre Geheimnisse zu entlocken. Es ist ein lohnendes Forschungsgebiet. Unzählige Teams arbeiten an diesen Bakterienkonglomeraten.Wie finden Bakterien zueinander und bilden einen Biofilm? Welche Vorteile bringt ihnen das? Und vor allem: Wie lassen sich Biofilme zerstören? Das sind nur einige der Forschungsfragen.

Ein Biofilm ist zunächst eine Gemeinschaft von Bakterien, die durch einen biologischen Klebstoff miteinander verbunden sind, erklärt Drescher. Fachleute bezeichnen diesen Klebstoff als „extrazelluläre Matrix“. Früher dachten die Forscher, Bakterien hätten sich gewissermaßen alle lieb, ballten sich zusammen, um in der Gemeinschaft einen Vorteil zu erlangen. Doch weit gefehlt: „Je ähnlicher ein Bakterium seinem Nachbarn ist, desto größer die Konkurrenz“, sagt Drescher. Es gilt schließlich das evolutionäre Motto des „survival of the fittest“, des Überlebens des Fittesten.

Doch in Biofilmen scheint es verblüffenderweise so, dass gerade durch die Konkurrenz der Bakterien, etwa um Nahrungsstoffe, ein stabiles Gebilde entsteht. Aus der Konkurrenz der Einzelnen könne sich hier eine Gemeinschaft bilden. „Das ist ein Beispiel, wie Kooperation entstehen kann“, erläutert Drescher. Der Forscher hat dies nicht nur am Computer simuliert, sondern auch im Laborexperiment demonstriert. Dazu haben die Marburger Wissenschaftler spezielle Mikroskoptechniken entwickelt. Die Bakterien werden mit einer Substanz markiert, die ein Laser zum Leuchten bringen kann. Dann können die Forscher mit Hochleistungsmikroskopen Zehntausende Bakterien im Biofilm gleichzeitig und in Echtzeit vermessen und beispielsweise deren Bewegung verfolgen. Das schauen sie sich natürlich nicht mit dem bloßen Auge an. Vielmehr werden die aufgenommenen Daten, mit denen die Forscher wesentliche Eigenschaften und Verhaltensweisen der Biofilme herausarbeiten wollen, von Computerprogrammen ausgewertet.

Bakterien kommunizieren im Biofilm mit einer rudimentären Sprache. „Chemische Wörter“, wie das Knut Drescher nennt. Ein Wort entspricht dabei etwa einem biochemischen Molekül. „Und alle paar Monate werden neue Botenstoffe entdeckt“, berichtet der Forscher. Es gibt Botenstoffe, mit denen die Bakterien die Zahl der Nachbarn schätzen: Lohnt es sich, einen fetten Biofilm zu bilden?

Es gibt allerdings auch Botenstoffe, die führen zur Auflösung dieser Gemeinschaft. Genau darauf haben es die Forscher abgesehen. „Wir wollen die Biofilme auflösen und abtöten“, erklärt Drescher. Seine Arbeitsgruppe hat kürzlich ein Molekül gefunden, das die Auflösung eines Biofilms einleitet. Die Bakterienkultur bildet auf dieses Signal hin ein bislang unbekanntes Enzym, das die extrazelluläre Matrix, den Klebstoff, löst. „Die Bakterien müssen dazu aber hungern“, ergänzt Drescher. Nun suchen die Fachleute nach diesem Lösemittel. „Das ist jetzt technologisch relevant und führt zu einem Therapeutikum“, hofft Drescher. Seine Arbeitsgruppe sei just dabei, dieses Ziel zu erreichen.

Weiteres Charakteristikum ist, dass zu einem Biofilm eine Oberfläche gehört, auf der sich die Bakteriengemeinschaft bilden kann. Das können medizinische Implantate sein. Forscher haben erst im vergangenen Jahr herausgefunden, wie Bakterien über mechanische Reize, die auf kleine Härchen wirken, erkennen, dass sie sich auf einer Oberfläche befinden und dort andocken können. „Was sind die Anfangssignale, um sich an eine Oberfläche anzuheften?“, fragt Drescher. Wenn diese Signal- und Stoffwechselwege bekannt sind, könnten auch Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.

Zwei Faktoren machen Biofilme als Interessengemeinschaft für Bakterien vorteilhaft: Zum einen können sich Bakterien besser ernähren und Stoffwechselvorgänge aufteilen. Zum anderen bildet ein Biofilm für sie eine effiziente Abwehr. Antibiotika haben kaum eine Chance, in den Biofilm einzudringen. Gleiches gilt für die sogenannten Bakteriophagen. „Das sind Viren und die größten Fressfeinde von Bakterien“, erklärt Drescher.

In einen neuem, von der Europäischen Union geförderten Projekt wollen die Forscher um Drescher herausarbeiten, wie sie den Phagen-Angriff auf Bakterienkulturen optimieren können. Der Traum der Forscher sieht so aus: „Wir wollen die Phagen mit jenem Enzym ausstatten, dass die Auflösung des Biofilms bewirkt“, sagt Drescher.

Wenn ein Virus dann in das Bakterium eindringt – und genau darauf sind Viren spezialisiert –, löst der molekulare Mechanismus automatisch die Auflösung aus. Bislang werden die Phagen aber weitestgehend vom schleimigen Biofilm-Klebstoff abgehalten. Der Kampf ist also noch nicht entschieden. Doch die Forscher haben einen Weg vor Augen: „Biofilme können sich auflösen, man muss nur den Schalten umlegen“, gibt sich Knut Drescher optimistisch.

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