Hirnforschung Ein wenig Alkohol ist gut fürs Hirn
Saarbrücken · Wer in Maßen Alkohol trinkt, ist Abstinenzlern bei kognitiven Tests überlegen, hat eine US-Studie ergeben.
(byl) Nicht mehr als 20 Gramm pro Tag – und das auch nicht jeden Tag. So lautet die Faustformel der medizinischen Fachgesellschaften für den Alkoholkonsum. Nach Geschlechtern unterteilt beziffert die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie die Grenze des risikoarmen Alkoholkonsums bei Frauen auf umgerechnet maximal zwölf Gramm, bei Männern maximal 24 Gramm reinen Alkohols pro Tag. Zwölf Gramm entsprechen etwa einem Glas Bier. Weil der durchschnittliche Alkoholkonsum in Deutschland allerdings nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als doppelt so hoch liegt, werden die einschlägigen medizinischen Organisationen nicht müde, Mäßigung zu predigen. Doch auch hier gilt der Grundsatz, „Erst die Dosis macht das Gift“. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie berichtet verbrämt mit Einschränkungen und Warnungen, dass das Zellgift Alkohol offenbar in geringen Mengen auch positive Effekte haben könne. Ein wenig Alkohol könne unseren Denkapparat beflügeln. Moderater Alkoholkonsum sei „mit besseren kognitiven Funktionen assoziiert“. Das zeige eine US-amerikanische Studie, die im Journal of the American Medical Association veröffentlich wurde. Sie fasst Daten von fast 20 000 Menschen im Durchschnittsalter von knapp 62 Jahren zusammen. Die Teilnehmer der „Health and Retirement“-Studie werden seit 1992 alle zwei Jahre untersucht. Dabei werden unter anderem Erinnerungsvermögen, Wortschatz, Konzentrationsfähigkeit, Orientierung, Urteilsvermögen und mathematische Fähigkeiten getestet.
Von einem geringen bis moderaten Alkoholkonsum seien die US-Wissenschaftler in dieser Untersuchung bei Frauen ausgegangen, die pro Woche umgerechnet weniger als 14 Gramm reinen Alkohol verteilt auf acht Getränke konsumierten, bei Männern sei die Grenze bei knapp dem Doppelten gezogen worden. Das Ergebnis des Vergleichs sei eindeutig gewesen. „Die moderaten Trinker waren den Nicht-Trinkern überlegen“, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Die Wahrscheinlichkeit für einen kognitiven Abbau sei bei ihnen im Vergleich zu Abstinenzlern um 34 Prozent geringer gewesen. Allerdings müsse auch festgehalten werden: „Bei schweren Trinkern nahm die kognitive Funktion rasant ab.“ Damit sei klar, so der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Professor Peter Berlit, dass die Studie keinesfalls als Freibrief für ungezügelten Alkoholkonsum zu verstehen sei.
Auf die Frage, auf welche Weise Alkohol die Leistungsfähigkeit des Hirns verbessere, gibt es nach heutigem Wissensstand keine klare Antwort. Eine mögliche Erklärung könne in der Wirkung der Substanz auf die Blutgefäße liegen, Beweise gebe es aber nicht. Doch falls die Annahme zutreffe, dass ein maßvoller Alkoholkonsum die Blutgefäße schützt, wäre damit auch zu erklären, warum er sich positiv auf kognitive Funktionen auswirkt. „Ein großer Teil aller Demenzen wird durch Gefäßschäden mitverursacht. Alles, was die Gefäßgesundheit erhält, schützt vor einer Demenz.“