Neues von Max Richter Die Menschenrechte modern vertont

✮✮✮✮✮ Max Richter realisiert mit seinem neuen Album ein lange gehegtes Projekt.

  Max Richter hat ein Herzensprojekt umgesetzt und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vertont.

Max Richter hat ein Herzensprojekt umgesetzt und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vertont.

Foto: Deutsche Grammophon/Yulia Mahr

„Mir gefällt die Vorstellung von einem Musikstück als Ort des Nachdenkens, und es ist ganz offensichtlich, dass wir im Moment alle nachdenken müssen. Wir leben in ungeheuer schwierigen Zeiten. Sieht man sich in der Welt um, die wir geschaffen haben, steigen leicht Hoffnungslosigkeit und Wut in einem auf.“ Dies sagte der 54-jährige britische Komponist Max Richter anlässlich der Veröffentlichung seines neuesten Albums. Es sind Worte, mit denen sich momentan wahrscheinlich viele Menschen identifizieren können.

Der mehrfach ausgezeichnete Musiker, der im niedersächsischen Hameln geboren wurde, ist ein rastloser Gesell und komponiert am Fließband. Sein bisheriges Schaffen zeugte dabei oft von meditativen Momenten: sei es der Soundtrack für die bizarre Serie „The Leftovers“, sein achteinhalbstündiges Mammut-Album „Sleep“, das vor fünf Jahren erschien, oder „Three Worlds: Music From Woolf Works“ (2017), seine musikalische Hommage an die englische Schriftstellerin Virginia Woolf. Für sein aktuelles Werk „Voices“ (Decca Records/Universal Music ✮✮✮✮✮) realisiert er endlich ein lange gehegtes Projekt: die Vertonung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die nach zähen Verhandlungen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1948 in Paris verabschiedet wurde.

Richter zählt zu den modernen Komponisten, die Klassik mit Ambient- und Electro-Einflüssen kombinieren und so intensive, cineastische Stücke produzieren. Diese Erfolgsformel wandte er bei der Anfang Juli veröffentlichten Vorabsingle „Mercy“, die er bereits vor zehn Jahren für die US-amerikanische Violinistin Hilary Hahn geschrieben hatte, nicht an. Hier (wie auch auf dem restlichen Album) spielt er ein nach einem Piano klingendes Keyboard und Mari Samuelsen eine Violine. „Mercy“ ist ein eindrucksvoll-andächtiges Stück, das erst gegen Ende kurz dramatisch wird. Andere Stücke des Albums sind mit Wortbeiträgen in unterschiedlichen Sprachen gespickt, die über die Musik gelegt wurden – in „Prelude 6“ gibt es auch einen deutschsprachigen Text. Diese Beiträge sind gelesene Passagen aus den Menschenrechen, die sich Richter von verschiedenen Menschen aus der ganzen Welt schicken ließ.

 Max Richter - Voices

Max Richter - Voices

Foto: Decca Records/Universal Music

„Voices“ ist keineswegs immer hörbar; der Wunsch nach meditativer Musik muss gegeben sein. Die Texte (unter anderem von der US-Schauspielerin Kiki Layne gesprochen) verleihen der Musik ein gewisses Mehr an Dramatik und umgekehrt. Diese ist aber positiver Natur, womit das Album entgegen Richters ursprünglicher Annahme kein düsteres, sondern ein hoffnungsvolles geworden ist. Und Hoffnung ist auch genau das, was wir alle in diesen turbulenten Zeiten sehr gut gebrauchen können.

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