Kjellvandertonbruket Bittersüße Klänge zweier Songpoetinnen

✮✮✮✮✮ Soccer Mommy und Big Fox überzeugen mit Rock Pop Deluxe und Kammer-Pop.

 Big Fox verarbeitet auf ihrem Album „See How The Light Falls“ unter anderem ihren Kampf gegen den Krebs.

Big Fox verarbeitet auf ihrem Album „See How The Light Falls“ unter anderem ihren Kampf gegen den Krebs.

Foto: Anna Branhede

„Color Theory“ (Caroline ✮✮✮✮✮), das heiß ersehnte Zweitwerk des Kritiker-Lieblings Sophie Allison alias Soccer Mommy ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Jeder steht für eine Farbe. Empfangen wird der Hörer von einer blauen Periode. Diese Lieder beleuchten Erinnerungen an depressive Kindheits-Phasen inklusive Selbstverletzung. „Circle The Drain“ beschreibt beispielsweise schmerzlich quälende Tage. Das darauf folgende Gelb steht für geistige und körperliche Krankheiten. „Yellow Is The Color Of Her Eyes“ verhandelt die zermürbende Sorge um die kranke eigene Mutter. Verlustangst und die Unvermeidlichkeit des Todes hat bei Sophie Allison die Farbe Grau. „Grey Light“ heißt der letzte Track. Immerhin: „Light“ – wie Leichtigkeit. Und Licht. Soccer Mommy bemüht sich redlich um beides, bastelt Melodien, die bezaubern, singt verletzlich, aber bestimmt – zuversichtlich wäre indes zu viel gesagt… Sie schreibt präzise, behutsam fließende Lieder, spielt mit (stilistischen und instrumentellen) Facetten, wagt Lärm und Sanftmut mit gleicher Selbstverständlichkeit. Und sie fährt Arrangier-Kunst auf, welche die emotionalen Brocken bekömmlicher macht. Nun, all das ergibt Rock-Pop Deluxe. Mit Shoegaze-Gestus und Indie-Charme. Aimee Mann, Tori Amos, Fiona Apple, Avril Lavigne standen Pate. Top-Acts wie Vampire Weekend, Wilco und Stephen Malkmus erkoren die sehr junge Künstlerin aus Nashville bereits zum Vorprogramm ihrer Tourneen. Sie haben früh erkannt: die Oberfläche schillert, darunter dräut es dunkel. Und diesbezüglich geriet „Color Theory“ sogar noch größer als das 2018er-Debüt „Clean“.

 Soccer Mommy - Color Theory

Soccer Mommy - Color Theory

Foto: Caroline International

Auch Charlotte Perers alias Big Fox hat Schmerzliches zu verarbeiten. Eigentlich sollte „See How The Light Falls“ (Backseat/Soulfood ✮✮✮✮✮) bereits 2018 erscheinen. Eine Krebsdiagnose kam dazwischen. Vieles auf ihrem dritten Album gemahnt an diesen schweren Kampf („The Fight“, „Final Call“, „Watching The Garden“), anderes verströmt das Glück der Genesung („Let Love In“, „Steps“), alles betört als bittersüßer, hoch melodischer Kammer-Pop. Zarte Feinheiten und große Gesten gehen bei der Schwedin Hand in Hand. Es dominiert das zarte Picking von Saiten im Verbund mit ihrem fragilen und doch sehr klaren Gesang. Strategisch klug gesetzte Cello-Striche, Synthesizer-Teppiche, Blechbläser-Fanfaren und Rhythmus-Offensiven bereichern das Klangbild dezent – den unverstellten Emotionen souverän zuspielend. Big Fox wird häufig mit Cat Power verglichen. Sie ist aber im selben Terrain besser, intensiver, greift effizienter in die Trick-Kiste der Arrangierens – und dringt damit tiefer ins Herz.

 Big Fox - See How The Light Falls

Big Fox - See How The Light Falls

Foto: Backseat

„See How The Light Falls“ und „Color Theory“ sind magische Zeugnisse schierer (Über-)Lebenslust.

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