Neue Countrymusik Dreifache Brillanz, die blendet

Erfrischender Country-Rock präsentiert von Jade Jackson (✮✮✮✮✮), Jim Lauderdale (✮✮✮✮) und Steve Waitt (✮✮✮✮✮).

 Jade Jackson verarbeitet auf ihrem neuen Album „Wilderness“ ihren Weg aus der Hölle ohne dabei schwermütig zu werden.

Jade Jackson verarbeitet auf ihrem neuen Album „Wilderness“ ihren Weg aus der Hölle ohne dabei schwermütig zu werden.

Foto: Xina Hamari Ness

Country-Music gibt sich ja gerne existentialistisch. Meist geht es ums Ganze, mindestens aber um Herzschmerz… Jade Jackson war wirklich in der Hölle. Auf ein schweres Schädel-Hirn-Trauma folgten Schmerzmittelabhängigkeit, Depression, eine Essstörung, Suizidalität gar. Und das mit Anfang 20. Die Aufnahmen zu ihrem famosen Debüt „Gilded“ (2017) fanden wohl noch unter Verdrängungsmechanismen statt. Für diesen Nachfolger taugten diese aber offenkundig nicht mehr. Jackson singt nun unverhohlen von erdrückender „Loneliness“, dem mühsamen „Long Way Home“ und der ständigen Angst („Shiver“). Sie verpackt das gerne in Liebeslieder, doch man ahnt sofort: es steckt weit mehr dahinter. Bemerkenswert ist, dass „Wilderness“ (ANTI/Indigo ✮✮✮✮✮) nicht desto trotz überhaupt nicht schwermütig geriet, sondern beherzt und zuversichtlich, bisweilen fast schon lässig abgeklärt. An ihrer Seite hatte die Dame mit Mike Ness (Social Distorsion) erneut eine Produzenten-Ikone, welche die Dinge mit Schmackes und Finesse gleichermaßen anzugehen pflegt. Dieser Country-Rock zieht in den Bann, bietet alles auf, was in diesem Genre geht: Twang und Riff, Schmelz und Stolz, rustikales Handwerk und Feinschliff, kurzum: the power & the glory. Und erst diese Stimme! Schlicht herzergreifend. „Gilded“ war vielleicht unbeschwerter, runder, „Wilderness“ übertrumpft das Debüt indes hinsichtlich Tiefe und Schärfe - insbesondere aber bezüglich Willenskraft.

     Jade Jackson - Wilderness

Jade Jackson - Wilderness

Foto: Indigo

Die Kraft des Zusammenhalts zelebriert Jim Lauderdale seit annähernd vier Jahrzehnten mit großer Leidenschaft. Sein Vehikel dafür lautet seit Anbeginn: feinster Country-Rock. Session-Dienste für Lucinda Williams oder Willie Nelson hinterließen Spuren. Zudem gibt es jede Menge Kollegen (Dixie Chicks, Salomon Burke, Elvis Costello…), die sich seiner Songs bedienten. Ja, dieser Mann gehört eigentlich in die erste Reihe. „From Another World“ (Yep Roc/H’Art ✮✮✮✮) addiert sich mühelos zum bemerkenswerten Back-Katalog. Lauderdale, der selbst Gram Parsons für den Größten hält, lässt diverse Saiten schwelgen bis cool krachen. Ach ja: ein großartiger Sänger ist er auch.

     Jim Lauderdale - From Another World

Jim Lauderdale - From Another World

Foto: Indigo
 Steve Waitt - Another Day Blow Bright

Steve Waitt - Another Day Blow Bright

Foto: Indigo

Gleiches gilt für Steve Waitt, einen Mann, der sich an den Tasten heimischer fühlt als an den Saiten. Für diese rekrutiert der New Yorker kongeniales Personal. Gemeinsam spielt man sich auf „Another Day Blown Bright“ (Make My Day/Indigo ✮✮✮✮✮) geradezu in einen Rausch, der den gefeierten Vorgänger „Stranger In A Strange Land“ von 2016 hinsichtlich Dichte und Sendungsbewusstsein, Opulenz und Energie noch deutlich überragt. Das atmosphärische, golden strahlende Cover lügt also nicht: dieser einnehmende Songreigen blendet geradezu vor Brillanz.

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