Französisches Drama Von der Suche nach Wegen aus dem Schmerz

✮✮✮✮ „Mein Leben mit Amanda“ von Mikhaël Hers: Ein sanft bewegender Film über die Seele.

 Isaure Multrier begeistert als kleine Amanda.

Isaure Multrier begeistert als kleine Amanda.

Foto: MFA Filmdistribution/MFA

Es ist Sommer in Paris. Das Licht ist hell und weich. Das Leben auf den Straßen unbeschwert. Mit dem Fahrrad fährt David (Vincent Lacoste) durch die Stadt. Ein schlaksiger Kerl von 24 Jahren, aus dessen Gesicht die Jugendlichkeit noch nicht verschwunden ist. Mit Gelegenheitsjobs als Hausmeister und Baumpfleger hält David sich über Wasser und lebt ohne übertriebene Ambition vor sich hin.

Wenn er wieder einmal seine siebenjährige Nichte Amanda (Isaure Multrier) zu spät von der Schule abholt, wäscht die alleinerziehende Sandrine (Ophélia Kolb) dem Bruder den Kopf, so wie es nur große Schwestern tun können. Ein paar Tage später haben sie sich mit Freunden im Park zum Picknick verabredet. Wie immer kommt David zu spät. Auf dem Weg überholen ihn die Polizei- und Krankenwagen. Ein Terrorist hat wahllos in die Menge geschossen und Sandrine hat den Anschlag nicht überlebt.

Nur wenige Sekunden zeigt Mikhaël Hers in „Mein Leben mit Amanda“ diese stummen Bilder des Schreckens und widmet sich danach den Überlebenden und Hinterbliebenen, die mit den traumatischen Folgen der Gewalttat umgehen müssen. Als nächster Verwandter ist es David, der sich um Sandrines Tochter kümmern muss. Auch wenn er seine kleine, kluge Nichte sehr liebt, ist die Aufgabe für den 24-Jährigen eine vollkommene Überforderung.

Ganz ohne Sentimentalität, aber mit einem sensiblen Respekt für seine Figuren erzählt „Mein Leben mit Amanda“ von dieser Annäherung unter traumatischen Bedingungen. Daraus ist ein sanft bewegender Film über die Größe und Flexibilität der menschlichen Seele entstanden, der seinen Figuren keine Katharsis verschreibt, sondern sie beim Suchen nach Wegen aus dem Schmerz begleitet.

Mit einer fast schon magischen Umsicht verhandelt Hers dieses komplexe Thema und kommt dabei ganz ohne aufdringliche Geschmacksverstärker aus. Kaum auszudenken, was Hollywood daraus gemacht hätte.

Frankreich 2018, 107 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Mikhaël Hers; Buch: Hers, Maud Ameline; Kamera: Sébastien Buchmann; Musik: Matthieu Sibony; Besetzung: Vincent Lacoste, Isaure Multrier, Stacy Martin, Ophélia Kolb.

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