Kino-Tipp Der Wert gewachsener Freundschaften

✮✮✮✮ „Stan & Ollie“ von Jon S. Baird: Sanfte Komödie über die Vergänglichkeit des Ruhms.

 Zwei hinreißende Darsteller: Steve Coogan als Oliver Hardy und John C. Reilly als Stan Laurel.

Zwei hinreißende Darsteller: Steve Coogan als Oliver Hardy und John C. Reilly als Stan Laurel.

Foto: Squareone/Aimee Spinks

Man möchte meinen, es sei unmöglich, Stan Laurel und Oliver Hardy glaubwürdig nachzuahmen – gehört das legendäre Komiker-Duo doch genauso wie Charlie Chaplin oder Buster Keaton zur Ursuppe des Kinos. Aber Steve Coogan und John C. Reilly belehren uns in „Stan & Olli“ eines Besseren. Ungeheurer nuancenreich und mit sichtbarer Liebe zu ihren Vorbildern machen sie sich an deren Revitalisierung auf der Leinwand.

In seiner gelungenen Hommage nimmt Regisseur Jon S. Baird die letzten Jahre der Slapstick-Virtuosen ins Visier. Im Jahr 1953 begeben sich die beiden noch einmal auf eine Tour durch Großbritannien. Die Hotels sind räudig, die Bühnen in der Provinz wenig glamourös und die Zuschauerreihen nur licht besetzt. 16 Jahre haben Stan und Olli nach Vertragsstreitigkeiten nicht mehr gemeinsam im Rampenlicht gestanden, aber ihre routinierten Sketche laufen immer noch wie geölt. Bewegungen, Mimik und Tanzeinlagen greifen scheinbar vollkommen unangestrengt ineinander. Auf der Bühne strahlen die Zwei die Vertrautheit eines alten Ehepaares aus, auch wenn privat noch einige unausgesprochene Konflikte vor sich hin gären.

Eigentlich soll die Tour durch die Provinz mit einem fulminanten Abschluss in London die Finanzierung eines neuen Filmprojektes ankurbeln. Stan schreibt an einer Komödienversion von „Robin Hood“, aber die Produzenten sind zurückhaltend angesichts des gründlich verblassten Ruhms der gealterten Stars. Vor allem der übergewichtige Hardy kämpft mit gesundheitlichen Problemen. Gerade als ihr Comeback durch peinliche PR-Auftritte bei Schönheitswettbewerben und Kaufhaus-Eröffnungen doch noch Fahrt aufnimmt, wird Olli von einem Herzinfarkt niedergestreckt.

In einem herzhaft melancholischen Grundton und aus der Perspektive der Vergänglichkeit blickt Baird in „Stan & Olli“ auf die Beziehung der beiden Leinwandlegenden. Durch den Blickwinkel werden die Fallen des klassischen Biopics mit konventioneller Lebensstations-Dramturgie umgangen. Baird konzentriert sich auf die letzte Lebensphase der Leinwand-Stars, die in fortgeschrittenem Alter noch einmal einen neuen Karriereanlauf nehmen.

Reilly und Coogan sind hinreißend als gealterte Komiker. Vor allem Coogan überzeugt mit einer Imitation, die sichtbar von innen heraus kommt und Laurels Körpersprache und Augenbrauenakrobatik perfekt nachahmt. Immer wieder lässt Baird bekannte Sketche nicht nur in Bühnenpräsentationen, sondern auch ins private Miteinander der beiden einfließen. Eine angenehm sanfte Komödie über die Vergänglichkeit des Ruhms und den unzerstörbaren Wert gewachsener Freundschaften.

USA 2019, 99 Min., Camera Zwo  (Sb); Regie: Jon S. Baird; Buch: Jeff Pope; Kamera: Laurie Rose; Musik: Rolfe Kent; Bersetzung: Steve Coogan, John C. Reilly, Shirley Hendersen, Nina Arianda.

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