Familiendrama von Angela Schanelec Der seltsame Geschmack des Lebens

✮✮✮✮ „Ich war zuhause, aber“ von Angela Schanelec: Ein elliptischer Film über das Erzählen.

 Maren Eggert spielt die alleinerziehende Mutter Astrid, die als Lehrerin an einer Kunsthochschule arbeitet.

Maren Eggert spielt die alleinerziehende Mutter Astrid, die als Lehrerin an einer Kunsthochschule arbeitet.

Foto: Piffl Medien

Vielleicht war es Regisseurin Angela Schanelec müde, immer wieder in – positiven – Kritiken zu ihren Filmen auch die Warnung zu lesen, dass hier einem aufmerksam-aktiven Publikum ein Angebot gemacht werde. Jedenfalls beginnt sie ihren neuesten Film „Ich war zuhause, aber ...“ mit einer rasanten Verfolgungsjagd, die davon erzählt, dass Filmrezeption immer schon eine kreative Arbeit gewesen ist: Ein Hund läuft über eine Karstwiese, dann ein Kaninchen, beide im Wechsel. Die Montagesequenz wird aufgelöst in einer Totale der Karstlandschaft, in der keines der beiden Tiere zu sehen ist.

Nach diesem Intro wird genauso weiter „erzählt“: Die einzelnen Tableaus werden nicht unbedingt in Zusammenhänge gestellt, aber jedes beinhaltet reichlich Informationen. So verweilt die Kamera für einen Moment auf einer Bücherwand. Zwei Titel sind zu erkennen: ein Buch von Doris Lessing und „About a Boy“ von Nick Hornby. Innerhalb des Raumes begegnen sich kurz darauf eine schwer atmende Frau, die sich vor einen Jungen kniet.

Was ist passiert? Ist es eine Geschichte „about a boy“? Die ersten Worte gehören dann William Shakespeare: Schulkinder proben Dialoge aus „Hamlet“. Es klingelt zur Pause, ein Blick aus dem Fenster: Die Frau und der Junge steigen in ein Taxi. Spätestens jetzt kann der Zuschauer auf die Idee kommen, dass es hier weniger um das Erzählte als vielmehr um das Erzählen selbst geht. Der Umgang mit Kameraeinstellungen und Montage ist offensiv, das sprachliche Handeln dagegen reserviert.

Von einem Plot zu reden, ist eigentlich unsinnig, weil die einzelnen Szenen wie in einem Mobile gleichgewichtig neben- und aneinander gehängt sind. An Hintergrund muss dies ausreichen: Vor zwei Jahren ist der Familienvater überraschend gestorben. Die Kleinfamilie – Mutter Astrid, Sohn Phillip, Tochter Flo – hat eine „Normalität“ neu justiert, aber Astrid scheint angespannt. Das Verschwinden Phillips hat die Familie vor neue Herausforderungen gestellt.

Vielleicht ist es eine Frage des Temperaments des Zuschauers, vielleicht hängt es auch mit der ausgestellten Theatralität der Inszenierung zusammen: Aber je länger „Ich war zuhause, aber ...“ dauert, desto komischer wird der Film – obwohl die Themen alles andere als komisch sind. Der Alltag, das Existentielle, die Mühen, der Tanz, der Kinderwunsch und der Tod – all dies steht mühelos und nicht wertend nebeneinander. So sitzt man und staunt von Szene zu Szene und erlebt ein Abenteuer, das man trotz der Gestaltetheit wohl den „Geschmack des Lebens“ nennen kann.

Deutschland/Serbien 2019, 105 Min., Filmhaus (Sb); Regie und Buch: Angela Schanelec; Kamera: Ivan Markovic; Besetzung: Maren Eggert, Jakob Lassalle, Clara Möller, Franz Rogowski.

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