Kino-Tipp Beinharte Ganovenbraut trifft auf verpeilte Nervensäge

„Sweethearts“ von und mit Karoline Herfurth: Das Buddy-Movie bietet jede Menge unterhaltsamen Zündstoff.

 Pech und Schwefel: Mel (Hannah Herzsprung) hat auf der Flucht Franny (Karoline Herfurth) als Geisel genommen.

Pech und Schwefel: Mel (Hannah Herzsprung) hat auf der Flucht Franny (Karoline Herfurth) als Geisel genommen.

Foto: Verleiher/Diverse

So wie es Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz vorgemacht hatten, nutzte vor zwei Jahren auch Karoline Herfurth ihre Popularität als Schauspielerin, um ins Regiefach zu wechseln. Filmemacherinnen, die sich an Mainstream-Formate heranwagen, sind im deutschen Kino immer noch eine Seltenheit. Aber mit der gut funktionierenden, romantischen Komödie „SMS für dich“ gelang Herfurth ein solider Publikumserfolg.

Mit „Sweethearts“ setzt sie nun auf ein weibliches Buddy-Movie in Szene, das Komödie und großes Drama gleichermaßen auslotet. Sie spielt selbst die gründlich neurotische und desorientierte Franny, die von menschlicher Nähe schnell überfordert ist und zu akuten Panikattacken neigt.

Ihr gegenüber steht Hannah Herzsprung in der Rolle der beinharten Ganovenbraut Mel, die gerade einen Juwelier überfallen hat. Alle auf dem Platz ducken sich weg, als Mel mit ihrer Waffe auf den Wachmann zielt. Nur die verpeilte Franny begibt sich direkt in die Schusslinie. Es ist der Beginn einer Geiselnahme und langen, tiefen Hassliebe zwischen den beiden Frauen. Eine Geisel wie Franny wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht an den Hals. Eine Panikattacke nach der anderen bricht über sie herein und dass ihre Entführerin sie mit vorgehaltener Waffe zum Schweigen bringen will, ist aus therapeutischer Sicht wenig hilfreich. Herfurth spielt Panik nicht als komödiantisches Gimmik, sondern als kompromissloses Gefühl, das alle Vernunft aushebelt und enorme Kräfte freisetzt. „Sweethearts“ nimmt die klassische Rezeptur zweier vollkommen konträrer Charaktere, die eine unfreiwillige Allianz schließen müssen, und generiert daraus maximalen komödiantischen, aber auch einigen dramatischen Output.

Mel ist nicht nur eine coole Ganovenbraut, sondern auch Mutter einer kleinen Tochter, mit der sie durch den letzten Coup dem kriminellen Milieu zu entfliehen versucht. Franny wiederum lernt die Waffen einer Nervensäge auf der Flucht vor Gangstern und Polizei gewinnbringend einzusetzen.

Zwischen Verfolgungsjagden und Plot-Schlenkern nimmt sich Herfurth immer wieder Zeit, die sich entwickelnde Freundschaft zwischen den beiden Frauen zu vertiefen. In der Rolle der ermittelnden Kommissarin ist mit Annekin Kim Serau eine weitere Vollblutschauspielerin mit an Bord.

Für amouröse Verwicklungen mit der Geisel darf Frederick Lau als Ordungshüter sorgen. Aber der romantische Erzählstrang wird nur auf einem Nebengleis gefahren. Im Fokus bleibt die Beziehung der beiden weiblichen Hauptfiguren und die bietet eine Menge unterhaltsamen Zündstoff.

Deutschland 2018, 107 Min., Regie: Karoline Herfurth; Buch: Monika Fäßler; Kamera: Daniel Gottschalk; Besetzung: Karoline Herfurth, Hannah Herzsprung, Frederick Lay, Anneke Kim Sarnau.

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