Gewinner der Goldenen Palme von Cannes Originell, skurril und sehr komisch

✮✮✮✮✮ „Parasite“ von Bong Joon-ho aus Südkorea begeistert als stimmiges Gesamtkunstwerk.

 Klo-Surfen: Für kostenloses Internet kriechen Ki-jung (Park So Dam) und ihr Bruder Ki-woo (Choi Woo Shik) in die entlegensten Ecken ihrer bescheidenen Behausung.

Klo-Surfen: Für kostenloses Internet kriechen Ki-jung (Park So Dam) und ihr Bruder Ki-woo (Choi Woo Shik) in die entlegensten Ecken ihrer bescheidenen Behausung.

Foto: Koch Films

Der Blick aus dem Fenster ist auf Augenhöhe zur Straße, wo gerade ein junger Mann zwischen Mülltüten seine Blase entleert. Die Kamera fährt zurück und gibt die Sicht frei auf die Kellerwohnung, in der die vierköpfige Familie lebt. Die Hand mit dem Smartphone zur Decke gereckt, geht die Tochter durch die Zimmer und wird schließlich oben auf der Fensterbank der Toilette fündig. Nur hier hat sie WLAN-Empfang aus einem benachbarten Cafe und den Kontakt zum Rest der Welt.

Im wörtlichen und metaphorischen Sinne lebt die Familie Kim im koreanischen Seoul am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie. Mit routinierter Gelassenheit ertragen sie die prekären Verhältnisse, bis der Sohn von einem Freund einen Job als Nachhilfelehrer bei der schwerreichen Familie Park vermittelt bekommt. Die Hausherrin und fürsorgliche Mutter zeigt sich beeindruckt von den (gefälschten) Diplomen und stellt Ki-woo (Choi Woo-shik) sofort ein. In den nachfolgenden Wochen sorgt dieser mit strategischem Geschick dafür, dass seine ganze Familie als Bedienstete der Parks eingestellt wird. Schwester Ki-jung (Park So-dam) wird als Kunsttherapeutin für den verstörten Sohn unter Vertrag genommen, der Vater (Song Kang-ho) als Chauffeur und die Mutter (Jang Hye-jin) als Haushälterin. Ohne dass die Arbeitgeber von den verwandtschaftlichen Verbindungen etwas ahnen, unterwandern die Kims den Haushalt der reichen Familie.

Schon in „Snowpiercer“ (2013) hatte der koreanische Filmemacher Joon-ho Bong die gesellschaftliche Diskrepanz zwischen Arm und Reich im filmisch-metaphorischem Raum erforscht. Auch in „Parasites“ führt die Kollision der Klassengegensätze zu überraschenden Plotwendungen, wagemutigen Genresprüngen und tragikomischen Wechselbädern. Dabei findet Joon-ho Bong immer wieder Bilder von starker Poesie und Symbolkraft, aber auch zu skurrilen Szenen, die auf die Absurdität der Verhältnisse verweisen. Der Humor rutscht nie in den Bereich der Karikatur, sondern bleibt nahe an den Figuren, die liebevoll und differenziert gezeichnet werden. All dies summiert sich zu einem stimmigen und äußerst originellen Gesamtkunstwerk, das in Cannes zurecht mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde.

Südkorea 2019, 132 Min., Filmhaus (Sb); Regie: Bong Joon-ho; Buch: Joon-ho, Han Jin-won; Kamera: Hong Kyung-pyo; Musik: Jaeil Jung; Besetzung: Song Kang-ho, Cho
Yeo-Jeong, Park So-dam, Chang Hyae Jin.

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