Nachfolger von Ziemlich beste Freunde Erstaunliches Gespür für ein brisantes Thema

✮✮✮✮ „Alles außer gewöhnlich“ von Eric Toledano und Olivier Nakache: Hart, aber witzig.

 Im Streetworker-Look: Vincent Cassel als Bruno.

Im Streetworker-Look: Vincent Cassel als Bruno.

Foto: Prokino

Wo bleibt bloß wieder Joseph? Der Junge kann sich doch nicht mit der Metro verfahren haben? Oder sollte er? Aber ja, er hat wieder einmal die Notbremse gezogen, damit der Zug nicht über eine bestimmte Brücke über die Seine fährt. Der Ärger mit der Polizei ist damit ebenso programmiert wie die geduldige Auseinandersetzung mit dem Übeltäter. Denn Joseph ist Autist, begnadet im Umgang mit dem Katalog der technischen Daten für Waschmaschinen, aber eben auch eingeschränkt durch seine Krankheit, die ihn magnetisch auf Notschalter reagieren lässt, aber auch unverstellte Gefühlsäußerungen erlaubt.

Joseph ist nur ein Fallbeispiel aus dem Aufgebot teils schwer zu handhabender Patienten, denen die Aufnahme in dauerhafte Betreuungseinrichtungen unter staatlicher oder städtischer Leitung verwehrt wurde. Womit Bruno und Malik ins Spiel kommen. Der Jude und der Moslem, beiderseits beste Freunde, arbeiten für eine Betreuungseinrichtung, wo eben jene Kinder und Jugendliche Aufnahme finden, die andernorts abgelehnt wurden.

Das Ganze ist kaum als kritische Bestandsaufnahme des französischen Gesundheitssystems zu werten. Soll es aber auch nicht, denn auch in seinem neuen Film setzt das Regieteam Olivier Nakache und Eric Toledano wie schon in seinem Publikumserfolg „Ziemlich beste Freunde“ auf eine fein austarierte Balance der emotionalen Tonlagen, um Aufmerksamkeit für ein Thema zu schaffen, das sonst einer breiten Zuschauerschaft kaum zu verkaufen wäre.

Und so schnurrt diese im Kern reale Geschichte aus der Vorstadt von Paris mit Vincent Cassel und Reda Kateb (beide in ihrem Streetworker-Look kaum zu erkennen) in den Hauptrollen gleichermaßen hart und realistisch, locker und witzig dahin und zeigt im Umgang mit sozial Brisantem ein erstaunliches Gespür für einen sofortigen Zugang. Ein sauertöpfisches Fazit kann dazu nur lauten: Dieser Film ist unangemessen unterhaltsam.

Frankreich 2019, 113 Min., Camera Zwo (Sb); Regie und Buch: Eric Toledano, Olivier Nakache; Kamera: Antoine Sanier; Musik: Grandbrothers; Besetzung: Vincent Cassel, Reda Kateb, Hélène Vincent, Bryan Mialoundama.

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