Neu im Kino Spiegel einer Gesellschaft, in der längst nicht alles erlaubt ist

✮✮✮✮ Neu im Kino: „Als wir tanzten“ von Levan Akin: Faszinierendes Drama um zwei schwule Männer in Georgien.

 Eine Szene mit Levan Gelbakhiani und Bachi Valishvili.

Eine Szene mit Levan Gelbakhiani und Bachi Valishvili.

Foto: Edition Salzgeber

Elegant und sinnlich muss der Tänzer sein, hart gegen sich selbst und unverrückbar in seiner Kraft. Nur dann erreicht er die Ausstrahlung, die sich Trainer Aleko (Kakha Gogidze) für die neuen Aufführungen des georgischen Tanzensembles wünscht. Alle knien sich dafür richtig rein, vor allem Merab. Der jüngste Spross einer örtlichen Tanzdynastie hat das Talent und die Disziplin für die Hauptrolle im theatralischen Liebesgedicht auf der Bühne. Was ihm in den Augen des Trainers fehlt, ist die nötige männliche Ausstrahlung, um der sinnlichen Mary, Merabs beste Freundin seit dem Sandkasten, ein strammer Partner zu sein.

Dann kommt ein neuer ins Ensemble. Irakli ist athletisch, selbstbewusst und so unverschämt gut aussehend, wie man sich einen Hauptdarsteller nur wünschen kann. Merab wittert eine Konkurrenz, der er nicht gewachsen sein kann. Aber Irakli ist kein ehrgeiziger Karrierist, und der Ohrring, den er auf Wunsch des Trainers ablegte, ist ein Zeichen, das in Merab ungekannte Gefühle weckt.

Eine schwule Lovestory unter Tänzern mit riskantem Coming-Out ist keine neue Kinogeschichte, aber sie kann ungemein faszinierend sein, wenn sie so enthusiastisch und gewinnend erzählt und ausgestaltet ist wie in dieser Filmproduktion aus Tiflis. Von der ersten Minute an lässt der aus georgischer Familie stammende, aber in Schweden geborene Filmautor Levan Akin keinen Zweifel, dass es ihn zwar wichtige Themen umtreiben, dass diese aber unbedingt das Gewand eines Publikumsfilms benötigen, wenn sie verfangen sollen. Das Tempo, die Stilmittel, die Lebensumstände – in diesen Punkten schlägt der Film am Kinopuls der Zeit. Zugleich aber ist er unmissverständlich in seiner Heimat verortet, deshalb weichen die Gesichter und die Codes im Umgang miteinander um jenes Quantum vom Globalkino Hollywoods ab, das ihnen etwas sympathisches Eigenes gibt, aber auch eine bedrohliche Fallhöhe in die Konflikte speist. Denn wenngleich das Ambiente modern ist, die Traditionen und Riten sind altverwurzelt und damit auch die Geschlechterklischees. Die stilisierten Charakterskizzen in der Tanzaufführung für die Bühne mit ihren tradierten Rollenzuweisungen sind immer noch aktueller Spiegel einer Gesellschaft, wo längst nicht alles erlaubt oder vorstellbar ist. In Georgien löste die Darstellung von Homosexualität im landeseigenen Tanztheater Proteste und Prügeleien aus. Was zeigt, was für ein mutiger Film dies ist – und er gibt nicht ein bisschen an damit.

Georgien/Schweden 2019, 114 Min., Camera Zwo (Sb); Regie und Buch: Levan Akin; Kamera: Lisabi Fridell; Musik: Zviad Mgebry, Ben Wheeler; Besetzung: Levan Gelbakhiani, Bachi Valishvili, Ana Javakishvili, Giorgi Tsereteli.

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