Die Wütenden – Les Misérables Von Unkraut, Gärtnern und Polizisten

✮✮✮✮✮ „Die Wütenden – Les Misérables“ von Ladj Ly: Starker politischer Film aus Frankreich.

 Im französischen Clichy-Montfermeil herrscht auf der Straße das Faustrecht des Dschungels.

Im französischen Clichy-Montfermeil herrscht auf der Straße das Faustrecht des Dschungels.

Foto: Wild Bunch/Wild Bunch Germany

Im Jahre 1862 erschien Victor Hugos „Die Elenden“; ein Roman über sozialen Abstieg und behördliche Willkür von zeitloser Gültigkeit. Wer das nicht glaubt, weil er meint, in 158 Jahren hätten die Dinge sich zum Besseren geändert, wird nun mit diesem Film zum Umdenken gezwungen.

Denn mit seinem Spielfilmdebüt erweist der aus Mali stammende Migrant Ladj Ly nicht nur seinem Vorbild Hugo kraftvoll Referenz, indem er eben nicht einen alten Roman in modernes Ambiente umsiedelt. Ladj Ly und seine Co-Autoren finden die Missstände, die Hugo anprangerte, ungebrochen im Paris des Jahres 2019.

„Merkt euch, Freunde! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner.“ Victor Hugos Leitsatz eröffnet den Film, aber im Zentrum der Geschichte steht kein zu Unrecht Verurteilter, sondern drei Gesetzeshüter, von denen zwei den Blick für die Grenze zwischen Gut und Böse verloren haben. Der dritte Mann ist Stephane „Pento“ Ruiz, der sich aus familiären Gründen nach Paris versetzen ließ.

Der Dienstplan hat ihn Chris und Dwaba zugeteilt, die im Banlieu von Clichy-Montfermeil Streife fahren. Pento begreift schnell, dass hier in den Straßen das Faustrecht des Dschungels herrscht, das einige Clans mit eiserner Gewalt durchsetzen. Als eines der Straßenkinder hier einen jungen Löwen entführt, den sich ein Clanboss zum Vergnügen hält, droht die Lage sofort außer Kontrolle zu geraten. Chris und Dwaba, die sich gegen Besetzung und Gefälligkeiten auch mal für die Interessen der Clans einspannen lassen, nehmen die Verfolgung des kleinen Diebes auf. Als sie dabei über die Stränge schlagen, werden sie mittels einer privaten Drohne gefilmt. Jetzt wird die Sache gefährlich, denn wenn das Video ins Netz gelangt, gibt es für die Polizisten nichts mehr zu melden.

37 Jahre nach „La Balance“, 25 nach „Hass“ und fünf nach Jacques Audiards „Dheepan“ zeigt sich der politische französische Film nach wie vor hart am Drücker. Man muss angesichts der offenkundigen Sozialbrennpunkte die Regeln des Genres nicht neu erfinden. Es reicht, wenn man die alte Geschichte von den aufrechten und den korrupten Bullen und den Grauschattierungen auf der anderen Seite des Gesetzes aus zeitgemäßem Blickwinkel beleuchtet und damit dann schon anders und nach Möglichkeit besser erzählt.

Ladj Ly jedenfalls hält uns Zuschauer hart an der Spannungskandare und scheut auch nicht vor unerquicklichen Details zurück. Ein sehr starker Film mit einer eindeutigen Haltung und einem offenen Ende.

Frankreich 2019, 102 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Ladj Ly; Buch:Ly, Giordani Gederlini, Alexis Manenti; Kamera: Julien Poupard; Besetzung: Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djebril Zonga, Issa Perica.

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